Das sorbische Lebensgefühl: „Es ist eine Liebe zur Gemeinschaft“
Das Sorbische Lebensgefühl stammt in seinen Ursprüngen aus der Sorbischen Kultur, ist aber heutzutage praktisch in der ganzen Lausitz anzutreffen. Denn die Lausitz gilt allgemein hin als zweisprachige Region, Sorben und Deutsche leben faktisch Tür an Tür. Die kulturellen Einflüsse, gehen somit in beide Richtungen, und teilweise werden gemeinsam Fest und Traditionen begangen.“ … „Frust hat die Forscherin häufig dann bei Deutschen gespürt, wenn Sorben – die allesamt die deutsche Sprache verstehen – in ihrem Beisein plötzlich nur noch Sorbisch sprechen. Dann hätten junge wie auch ältere Deutsche das Gefühl, dass „hinter dem Rücken über sie geredet“ werde.“ An dieser Anekdote ist wahrlich etwas dran. Allerdings dieses Phänomen, durchzieht sich nahezu flächendeckend bei Menschen, die zweisprachig aufgewachsen sind. Das ist beileibe kein Alleinstellungsmerkmal der Sorben.
Die Lausitz gilt allgemein hin als zweisprachige Region
Die Lausitz gilt allgemein hin als zweisprachige Region, Sorben und Deutsche leben praktisch Tür an Tür. Die kulturellen Einflüsse, gehen somit in beide Richtungen, und teilweise werden gemeinsam Fest und Traditionen begangen. Die sorbische Vogelhochzeit ist beispielsweise ein sorbischer Brauch, der von großen Teilen der Bevölkerung von der Lausitz begangen wird. Ein strikte Abgrenzung zwischen Sorben und Deutschen, ist ohnegleichen kaum möglich. Die meisten in der Lausitz haben zu mindestens Sorbische Vorfahren, manche bekennen sich erst im Erwachsenenalter zur Ihrer Herkunft, andere wiederum verleugnen ihr Sorbisches Elternhaus aus unterschiedlichen Gründen. Jenseits der Sprache, gibt es allderings ein sorbisches Lebensgefühl, was fast überall in der Lausitz anzutreffen ist.
„Stolz darauf, eine Sorbin zu sein“ – „Das sorbische Lebensgefühl“
„Sie sagt, sie sei stolz darauf, eine Sorbin zu sein, und beschreibt das sorbische Lebensgefühl:
„Wir sind ein sehr lebensfrohes Volk, sehr lustig, wir singen und feiern gerne. Familie spielt für uns eine große Rolle, wir halten fest an den Familienbanden. Es gehört zum guten Ruf, bei einer Kulturgruppe mitzumachen oder zumindest einem Verein anzugehören.“
Und gerade die Kultur ist es, die die Sorben zusammenhält – das haben die Sorbischen Kulturtage in Prag bewiesen. Sorben treffen sich in Vereinen, um gemeinsam zu singen und zu tanzen und so ihre Kultur nach innen zu pflegen und sie nach außen zu präsentieren. In Deutschland leben 60 000 Menschen, die sich zur sorbischen Kultur bekennen, in Nordböhmen sind es mehrere Hundert. In Deutschland ist ihre Hauptstadt Bautzen, in Tschechien die Stadt Varnsdorf. Die Sorben haben das Schicksal einer Minderheit, die gemeinsam mit einer Mehrheit leben muss, einen eigenen Staat haben sie nicht. Die sorbische Schriftstellerin und Dichterin Lubina Hajduk-Veljkovicowa beschreibt, was die Sorben von den Deutschen unterscheidet:
„Es ist eine Liebe zur Gemeinschaft, würde ich sagen. Die ist den Deutschen nicht eigen und das unterscheidet die beiden Kulturen. Weitere Unterschiede sind eine andere Moralvorstellung, Liebe zur Gemeinschaft, mehr Nationalismus. Ich habe zum Beispiel gemerkt, wenn ich eine Erzählung habe und sie ins Deutsche übersetze, dass das gruselig klingt. Das kann man nicht übersetzen. Was aber auch wichtig ist, ist der Einfluss der katholischen Kirche und die damit zusammenhängende enge Moralvorstellung und selbstverständlich die Folklore.“
Die Liebe zur Gemeinschaft ist bei den Sorben sehr stark, aber gerade für diese Gemeinschaft müssen die Sorben sehr stark kämpfen, sowohl innerhalb der eigenen Gruppe als auch nach außen hin. Nicht alle sind optimistisch, was die Zukunft des sorbischen Volkes betrifft. Während einige Deutsche aus der Region ihre Kinder in eine sorbische Klasse schicken, damit sie eine weitere Sprache lernen, geben Sorben teilweise ihre Nachkommen in die deutsche Klasse, um sie nicht mit der Zweisprachigkeit zu belasten. Die Journalistin Bogna Korjenkowa kann eine solche Entscheidung nicht nachvollziehen:
„Die Kultur ist immer an das Volk gebunden und an die Sprache und vor allem an diejenigen, die die Kultur auch weiter tragen. Und so lange die sorbische Sprache lebt, gepflegt und weitergegeben wird, lebt ja auch die Kultur. Denn Sprache und Kultur gehören für mich zusammen.“
„Es ist ein großes Problem und in der Tat droht das Aussterben der sorbischen Sprache und Kultur. Ich hoffe, dass sich wieder genug Jugendliche zusammenraffen und Familien gründen. Es gibt aber auch schon einen harten Kern, der sich darum bemüht, innerhalb der Jugend immer wieder neue Anstöße zu finden und zu geben. Veranstaltungen zu organisieren, damit in der Jugend auch das Sorbische gekräftigt wird.“
Ihre Angst vor dem Verschwinden der sorbischen Kultur ist begründet, dies bestätigt auch Radek Cermak, Slawistikstudent an der Prager Karlsuniversität. Er hat mit seinen Kollegen einen Verein der Freunde der Sorben gegründet und setzt sich aktiv für die Rechte der Sorben ein. Die Freunde der Sorben haben die kulturelle Zusammenarbeit mit der sorbischen Minderheit angeleiert und verbreiten die sorbische Kultur in Tschechien, auch durch die Organisation des Kulturfestivals. .. In den letzten Jahren haben sich sogar tschechische Politiker für die Rechte der Sorben eingesetzt, zum Beispiel in der Frage der Erhaltung von sorbischen Schulen. Der Professor für Ethnologie an der Karlsuniversität, Leos Satava, erklärt, warum auf tschechischer Seite plötzlich ein Interesse an den Sorben zu beobachten ist:
„Auf der tschechischen Seite passiert im Moment überraschend viel, wenn man bedenkt, dass diese Sache 50 Jahre lang tabuisiert wurde. Zu DDR-Zeiten gab es kein großes Interesse daran, dass Tschechen oder der Tschechoslowakische Staat irgendwie in das Geschehen in der DDR eintritt. In den 90er Jahren hat sich die Situation verändert und die tschechische politische Repräsentanz weiß nach einem halben Jahrhundert auch wieder, dass es Sorben gibt.“
Aber nicht nur die Politiker und offizielle Institutionen können das sorbische Volk zusammenhalten. In der Tat wandern viele jungen Menschen in den Westen Deutschlands, damit sie eine Arbeit bekommen, weil in der Region große Arbeitslosigkeit herrscht.“