Das häufigste Szenario für einen Machtwechsel im antiken Rom
Das häufigste Szenario für einen gewaltsamen Machtwechsel im antiken Rom war die Usurpation, die stets nach einem ähnlichen Muster ablief: Der – in der Regel militärisch erfolgreiche – Kommandeur einer der zahlreichen Legionen an den Grenzen Roms wurde von seinen Soldaten zum Kaiser ausgerufen, um sich gegen den amtierenden Herrscher durchzusetzen. Da die Legitimität jedes Princeps ohnehin fragil war, resultierte die Usurpation in zwei konkurrierenden Herrschern, die klären mussten, wer das Purpur tragen sollte. Dies geschah nicht durch Rücktritt, sondern erforderte Gewalt, in Form eines Bürgerkriegs, der begann, wenn die Legionen des Usurpators nach Rom – oder zu dem Ort zogen, wo der amtierende Kaiser sich gerade aufhielt – und sich mit dessen Truppen in einer Schlacht maßen.
Der Ausgang dieser Schlacht entschied über die Machtverhältnisse und über Leben und Tod beider Anwärter. Zwischen dem Tod des Augustus im Jahr 14 n. Chr. und dem Beginn der Herrschaft Diokletians im Jahr 284 n. Chr. erlangten 14 Kaiser als Usurpatoren das Purpur. Hinzu kamen unzählige gescheiterte Versuche zur Usurpation. Sieben Kaiser, Claudius nicht mitgerechnet, fielen Attentaten zum Opfer; zudem gab es zahlreiche gescheiterte Mordversuche.
Ein Purpurträger, Decius, fiel in der Schlacht, während ein weiterer, Valerian, gefangen genommen wurde. Insgesamt starben 15 Kaiser eines natürlichen Todes. Erfolgreiche Attentate waren also deutlich seltener als Usurpationen; dennoch war es für jeden Kaiser ratsam, wachsam gegenüber Mordanschlägen zu sein: Immer wieder wurde der Palatin, auf dem die Kaiser residierten, zum Schauplatz solcher Verbrechen. Abgesehen von Claudius, dessen Tod durch Gift nicht vollständig gesichert ist (S. 105 f.), wurden Caligula, Domitian, Commodus, Pertinax, Caracalla, Elagabal (S. 58–61) und Aurelian von Mördern getötet.
Pertinax wurde von den Prätorianern schnell beseitigt, da sie ihn als zu geizig empfanden. Caracalla wurde während seines Partherfeldzugs ermordet; Berichten zufolge geschah dies während er seine Notdurft verrichtete, da viele aus seinem nahen Umfeld den Zorn des Cholerikers fürchteten und lieber sahen, wie ihr Kaiser tot am Boden lag, als selbst ihr Leben zu verlieren. Aurelian half all seine militärischen Erfolge nichts; der strenge Kaiser musste für die Angst seines Sekretärs Eros vor Strafe mit dem Leben bezahlen. Eros hatte zuvor versehentlich einen Fehler gemacht und fälschte daraufhin eine Liste mit Todesurteilen. Sofort verschworen sich die vermeintlichen Todeskandidaten gegen Aurelian und schon hatte er ein Messer zwischen den Rippen stecken.
Die Angst vor Repressalien war immer wieder ein zentrales Motiv dafür, Kaiser aus dem Weg zu räumen. So erging es im Jahr 96 n. Chr. Domitian, der in den fünfzehn Jahren seiner Herrschaft zunehmend misstrauisch und grausam geworden war und gerade eine größere Säuberungsaktion durchgeführt hatte, bei der er zahlreiche Verwandte liquidierte. Offenbar fürchtete fast jeder in seiner Umgebung, das nächste Opfer zu werden. Den Mord führte schließlich der Freigelassene Stephanus aus, der verdächtigt wurde, Gelder unterschlagen zu haben. Stephanus verband sich den Arm so als hätte er sich verletzt und verbarg in der Bandage einen Dolch, mit dem er den Kaiser in seinem Schlafgemach angriff. Allerdings war Domitian ein großer Mann und so gelang es Stephanus nicht ohne Hilfe, ihn zu überwältigen.
Auch Caligulas Freigelassener Callistus fürchtete im Jahr 41 n. Chr. den Zorn seines Herrn. Unter dem unberechenbaren Kaiser hatte er sich Einfluss und enormen Reichtum erworben und nutzte seine Stellung auch am Hofe zur Unterstützung seiner Freunde.
Offenbar schürte er damit Caligulas Misstrauen und fühlte sich selbst bedroht. Um sich zu retten, entwickelte er einen Plan zur Ermordung des Kaisers und präsentierte gleich einen Nachfolgekandidaten: den stotternden Claudius, Caligulas Onkel, der ihm durch seine Erhebung zum Kaiser ewige Dankbarkeit schulden würde. Für die Durchführung des Mordplans gewann er den Prätorianertribun Cassius Chaerea, der für den Kaiser Inkasso-Aufträge wahrnahm und bei Folterungen so brutal vorging, dass selbst die Opfer Caligulas Grausamkeit überstiegen hatten. Chaerea fühlte sich von Caligula beleidigt und brannte darauf, den Mann im Purpur zu töten. Chaerea stieß dem Kaiser im Theater sein Schwert in den Hals; als dieser zusammenbrach, stachen mehrere Mitverschwörer auf den Wehrlosen ein.
Ebenfalls ein Opfer seiner eigenen Grausamkeit wurde Commodus in der Neujahrsnacht 192/93 n. Chr., Sohn des großen Mark Aurel und erster purpurgeborener Kaiser des Reiches. Der Imperator hatte nach dem Willen seines Vaters eine erstklassige Erziehung genossen, geriet jedoch völlig außer Kontrolle nach einem gescheiterten Attentat auf ihn im Jahr 182 n. Chr., hinter dem angeblich seine Schwester Lucilla steckte.
Dies verwandelte den ohnehin schon instabilen und selbstherrlichen Commodus in einen blutrünstigen Tyrannen, vor dem ganz Rom erschauerte. Er hielt sich für Herkules, trat als Gladiator in der Arena auf und benannte die ehrwürdige Stadt Rom in colonia felix Commodiana um – so als wäre Rom niemand anderem als ihm zu verdanken.
Am 1. Januar 193 wollte Commodus das neue Jahr nicht im purpurnen Gewand eines Kaisers empfangen, sondern in Gladiatorenkleidung. Als er seinen Plan seiner Umgebung offenbarte, reagierten sowohl der Prätorianerpräfekt Aemilius Laetus als auch sein Diener Eclectus und seine Konkubine Marcia äußerst zurückhaltend. Der Kaiser war darüber so verärgert, dass er ihre Namen auf eine Wachstafel schrieb und sie dem Henker übergeben wollte.
Durch Zufall gelangte die Tafel in Marcias Hände; ihr lief geradewegs der Leibdiener des Kaisers in die Arme. Commodus’ Geliebte nahm sie an sich und war schockiert darüber, ihren Namen ganz oben auf einer Todesliste zu entdecken. „Großartig, Commodus!“, rief sie aus: „So dankst du mir also für meine treue Hingabe und dafür, dass ich dich all die Jahre ertragen habe.“ So berichtet es zumindest der an Skandalgeschichten über das Kaiserhaus stets interessierte Geschichtsschreiber Herodian.
Die Gefahr war akut; bis zur geplanten Nacht der langen Messer waren es nur noch wenige Stunden. Deshalb verbündete sich Marcia mit Laetus und Eclectus und das Trio schmiedete improvisiert einen Mordplan. Marcia mischte wie gewohnt Commodus seinen Wein nach seinem Bad und brachte ihm das Getränk – allerdings hatte sie diesmal eine tödliche Dosis Gift hinzugefügt.
Der Kaiser trank den Wein hastig hinunter und wollte sich schlafen legen wegen Unwohlseins; doch als schwerer Trinker dachte er sich nichts dabei. Als das Gift zu wirken begann und er sich mehrfach übergeben musste, befürchteten Marcia und ihre Mitverschwörer, dass er alles wieder ausspucken könnte. Daher wurde hastig nach dem jungen Ringer Narcissus geschickt; dieser eilte ins Schlafzimmer des Kaisers und strangulierte den von Wein und Gift benebelten Monarchen – dafür erhielt er eine großzügige Belohnung für seine Tat.