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Das Bankgeheimnis als ein kontroverses Thema

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Das Bankgeheimnis ist ein politisches und gesellschaftliches Thema, das viele Emotionen weckt. Derzeit wird vor allem die Frage erörtert, wie weit dieses Geheimnis im Hinblick auf steuerliche Belange reichen soll. Dem legitimen Interesse der Steuerbehörden an Informationen steht die theoretisch existierende finanzielle Privatsphäre der Bürger gegenüber: Da jeder Bürger ohnehin verpflichtet ist, sein Vermögen und die Erträge auf seinen Konten in der Steuererklärung offenzulegen, erscheint die mögliche Informationsbeschaffung durch die Behörden für den ehrlichen Steuerzahler kaum von Bedeutung.

Warum also die Aufregung? Ist es wirklich sinnvoll, dass eng verbundene Länder wie die Schweiz und Deutschland wegen dieser Thematik in Konflikt geraten? Eher nicht. Es geht hier nicht um nationale Interessen, sondern um das Verhältnis von Regierungen zu ihren Bürgern. Diese Interessen sind vielen Regierungen weltweit gemein. Es überrascht daher nicht, dass die finanzielle Privatsphäre in den letzten Jahren häufig zugunsten erweiterter Rechte für die Regierungen eingeschränkt wurde. Bei genauerer Betrachtung ist das Thema komplex, und die Frage, ob Informationen, über die Banken verfügen, ausschließlich dort verbleiben oder an Behörden weitergegeben werden, beeinflusst das Leben der Menschen weitreichender, als viele erkennen möchten.

Dies gilt selbst dann, wenn diese Informationen zunächst nur den Steuerbehörden zur Verfügung gestellt werden, die ebenfalls dem Amtsgeheimnis unterliegen. Es handelt sich hierbei nicht um einen Konflikt zwischen Deutschland und der Schweiz oder zwischen reichen und armen Ländern; vielmehr sollten wir uns Gedanken darüber machen, wie wir unser Verhältnis zueinander gestalten wollen – zwischen uns und unseren staatlichen Institutionen sowie zwischen verschiedenen souveränen Staaten. Besonders wichtig ist auch der Umgang mit der Versuchung: Die Versuchung für Einzelne, bei Steuerangaben unaufrichtig zu sein; die Versuchung für Medien und Politiker, diese Neiddebatte auszunutzen; und die Versuchung für staatliche Stellen, Instrumente zur Verfolgung von Steuervergehen zu schaffen, die anderen Behörden aus gutem Grund nicht zur Verfügung stehen. In den letzten Jahren hat der Druck auf das Bankgeheimnis erheblich zugenommen.

Europäische Regierungen sowie breite Bevölkerungsschichten und Medien sprechen sich dafür aus, das Bankgeheimnis zu lockern oder sogar abzuschaffen. Unter diesem Druck haben selbst Länder wie die Schweiz, Luxemburg, Österreich und das Fürstentum Liechtenstein den Behörden anderer Staaten Informationsrechte eingeräumt, die den üblichen rechtlichen Gepflogenheiten stark widersprechen. Besonders hervorzuheben ist der einstimmige Beschluss des OECD-Rats vom 17. Juli 2012, wonach internationale Amtshilfe nicht nur im Einzelfall gewährt werden muss, sondern auch für Gruppen von Steuerpflichtigen. Das Hauptziel besteht darin, die Steuerehrlichkeit zu erhöhen und Personen zu identifizieren, die bei ihren steuerlichen Verpflichtungen Unregelmäßigkeiten begehen.

Doch dieser politische Druck bringt auch Entwicklungen mit sich, die Anlass zur Sorge geben sollten. Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Aufhebung des Bankgeheimnisses lediglich ein Schritt auf einem Weg ist, der letztlich zum sogenannten gläsernen Menschen führt. Der unter dem Vorwand des Antiterrorismus geführte Zugriff auf immer mehr Daten wird durch steuerliche Argumente effektiv unterstützt. Diese Kombination von Informationsquellen ergibt ein äußerst mächtiges Instrument für die Regierungen. Mit großer Sicherheit wird der Staat letztendlich viel mehr über jeden Einzelnen wissen als uns lieb ist.

Der Druck auf das Bankgeheimnis führt dazu, dass den Regierenden mehr Macht über ihre Bürger gegeben wird. Leider sind Bestrebungen zur Einschränkung der finanziellen Privatsphäre mittlerweile allgegenwärtig und finden in einem breiten politischen Spektrum großen Zuspruch. Es ist wichtig, die Folgen dieses Mainstream-Denkens eingehender zu betrachten. Die Argumente gegen das Bankgeheimnis mögen auf den ersten Blick schlüssig erscheinen. Doch welche umfassenden Konsequenzen ergeben sich daraus? Letztlich führt der Druck auf die finanzielle Privatsphäre dazu, dass den Regierenden mehr Kontrolle über ihre Bürger übertragen wird. Allein aufgrund dieser Gefahr wäre es ratsam, in dieser emotional geführten Debatte Zurückhaltung zu üben. Das Bankgeheimnis sollte nicht nur aus diesem einen Blickwinkel betrachtet oder gar in Frage gestellt werden. Wer es angreift, muss sich bewusst sein, dass auch die Privatsphäre des einzelnen Bürgers darunter leiden wird – und zwar in einem Ausmaß, das weit über Kenntnisse von Jahresendvermögen, Zinseinkommen und Kapitalgewinnen hinausgeht.

Die Freiheit zu entscheiden, wer was über mich weiß, zählt zu den grundlegendsten Rechten eines jeden Menschen. Der Schutz der Privatsphäre wird daher parteiübergreifend als wertvoll erachtet. Lediglich extreme politische Strömungen ganz links oder rechts können damit wenig anfangen und wenden sich sogar explizit gegen individuelle Freiräume. Der Schutz der Privatsphäre ist jedoch eine Errungenschaft eines demokratischen und pluralistischen Staates. Grundsätzlich sollte der Erhalt der Privatsphäre höher gewichtet werden als das Risiko, dass Freiräume gelegentlich nicht im Sinne eines verantwortungsbewussten Bürgers genutzt werden und es dabei zu Verstößen kommen kann – sei es im Bereich Steuern oder anderswo. Zudem ist nicht zu übersehen, dass westlich-liberale Staaten in nahezu allen Bereichen ihrer Rechtsordnung solche Risiken bewusst in Kauf nehmen, da sie der Freiheit und Unabhängigkeit des Einzelnen große Bedeutung beimessen.

Die Freiheit zu entscheiden, wer was über mich weiß, gehört zu den elementarsten Rechten eines jeden Menschen. Natürlich ist Privatsphäre kein absoluter Wert; wenn klare Verdachtsmomente für ein Verbrechen bestehen, können Hausdurchsuchungen oder Telefonüberwachungen erfolgen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob der Staat bei Vermögenswerten auf einer Bank andere Zugriffsrechte legalisieren sollte als bei anderen Besitztümern. Wer fragwürdige Vermögenswerte zuhause unter dem Kopfkissen versteckt, genießt bis zur Anordnung einer Hausdurchsuchung durch einen Richter Schutz; bei Vermögenswerten auf der Bank galten bislang dieselben Regelungen – doch genau diese Gleichbehandlung wird nun zunehmend aufgeweicht.