Arroganz der Macht: Mit welchen Argumenten die direkte Demokratie verhindert wird
„Unser Bündnis „Jetzt ist die Zeit: Volksentscheid. Bundesweit.“ hat erfolgreich darauf hingewirkt, dass das Stichwort „direkte Demokratie“ erstmals in einem schwarz-roten Koalitionsvertrag steht!“ Der Verein Mehr Demokratie hat dies in Wege geleitet. Allerdings dürfte es eher fraglich sein: Das in absehbarer Zeit direkte Demokratie auf Bundesebene geben wird. Denn die Tücken liegen – wie bekanntlich fast immer – im Kleingedruckten. Auch tauchen immer wieder seltsame Argumente auf: Die vermeintlich belegen sollen, dass die direkte Demokratie schädlich sein soll.
„Politiker schachern in Hinterzimmern, sind auf Pöstchen scharf und wollen Macht sichern. Bürger hingegen, ersatzweise die einfachen Parteimitglieder, folgen ihren Überzeugungen und dem Gemeinwohl. … Schließlich heißt es auch im Artikel 20 des Grundgesetzes, dass die Staatsgewalt „vom Volke in Wahlen und Abstimmungen“ ausgeübt wird. Auf Bundesebene sind derartige Abstimmungen bislang auf Volksbegehren zur Neugliederung der Bundesländer beschränkt. … Wäre „mehr Demokratie“ nicht ein Segen für das Land? Sollte sich Deutschland nicht die Schweiz zum Vorbild nehmen? Die Eidgenossen stimmen alle paar Wochen ab über „bedingungslose Grundeinkommen“ (wurde abgelehnt), die Begrenzung von Zweitwohnungen (angenommen), „sechs Wochen Ferien für alle“ (abgelehnt), die Deckelung von Managergehältern (abgelehnt), die „Ausschaffung krimineller Ausländer“ (abgelehnt) oder „gegen Masseneinwanderung“ (angenommen). Ließe Deutschland seine Bürger entscheiden, wäre unser Land mutmaßlich nicht wiedervereinigt, weil 1983 die Mehrheit der Bundesbürger gegen die Nato-Nachrüstung war – ohne sie aber hätte der Westen Moskau nicht jenes Wettrüsten aufzwingen können, an dem die UdSSR letztlich scheiterte und die innerdeutsche Grenze brach.“
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„Aus dem Nachrüstungsbeschluß wurde im Herbst 1979 der NATO-Doppelbeschluß, welcher das Vorhaben, Mittelstreckenwaffen vom Typ Pershing II und Cruise Missile aufzustellen, mit dem Angebot zu umfassenden Abrüstungsverhandlungen verband. Dabei betonte die US-amerikanische Regierung eher die Absicht, Raketen zu stationieren, während die Bundesregierung stärkeren Wert auf die Verhandlungen legte. Gleichwohl bildete sich gegen die NATO-Nachrüstung erstmals nach fast einem Vierteljahrhundert wieder eine größere Friedensbewegung heraus. Diese wurde von christlichen, kommunistischen und basisdemokratischen Kräften unterstützt, bekam schnell eine Massenbasis und schließlich viel Zulauf auch aus der SPD. Die sozialdemokratische Führung stand vor einer Zerreißprobe. Willy Brandt, der Parteivorsitzende, ließ Sympathie für die Friedensbewegung erkennen. Helmut Schmidt sah seine Autorität als Regierungschef und die Stabilität der Koalition in Frage gestellt. Herbert Wehner unterstützte, wie immer, in dieser Situation den sozialdemokratischen Bundeskanzler. Wehner versuchte, die Position des Kanzlers in die Mitte zu rücken. Einerseits begrüßte er, daß das Problem der Friedenssicherung die Menschen bewege, andererseits aber sei vieles in diesen Diskussionen nicht genügend durchdacht.“
Es gab seiner Zeit in der DDR Olof Palme Friedensmärsche die weder in Ost noch West gerne gesehen wurden. Jedoch gaben diese Proteste – und jene westlichen Gegenstücke – in West- als auch Ostdeutschland einigen Regierungsmitgliedern genügend politischen Rückhalt, um direkte Verhandlungen mit den jeweiligen „Klassenfeind“ zu ermöglichen. Auf diese Weise wurden viele Kontakte geknüpft und es brachte politisch auf – beiden Seiten – einiges in Bewegung: Glasnost und Perestroika wurde von Michail Gorbatschow sicherlich kaum Zufällig in die Wege geleitete. Es war ein Versuch, die damalige Sowjetunion zu reformieren, stattdessen fand ein Umsturz statt. Jedoch von diesen Entwicklungen: Blieb der Kommunismus in China, Kuba Vietnam und Nordkorea weitestgehend verschont. Die These: Die Sowjetunion ist durch Wettrüsten zu Fall gebracht worden – ist schlicht ein modernes Märchen. Die Ereignisse die zu den Umsturz Ende 1992 in Moskau führten, sind bis heute keineswegs in Gänze aufgearbeitet und vieles davon wird sicherlich auch weiterhin ungeklärt bleiben. Zweifellos: Soweit man weiß hat Moskau dieses Wettrüsten – imitierte von Reagan-Regierung – gar nicht mitgemacht – bis auf ein paar symbolische Handlungen wie Raketenverlegungen und ähnliche verhältnismäßig unbedeutende Taten. Der russische Bär verharrte in Wahrheit in stoischer Gelassenheit. Vielmehr hätte – die direkte Demokratie – mit hoher Wahrscheinlichkeit die Teilung Deutschland verhindert.
„Auf den ersten Blick klingt es nicht schlecht, was sich Union und SPD vorgenommen haben. Sie wollen die „Demokratie beleben“, kündigen sie im Koalitionsvertrag an. Doch was dann kommt, ist ernüchternd. Denn die künftigen Partner einer Großen Koalition haben keinerlei Vorstellung davon, wie sie ihr hehres Versprechen einlösen wollen. Eine Expertenkommission soll es richten. Ein solches Gremium soll Vorschläge erarbeiten, „ob und in welcher Form unsere bewährte parlamentarisch-repräsentative Demokratie durch weitere Elemente der Bürgerbeteiligung und direkter Demokratie ergänzt werden kann“. Mit solchen vagen Aussagen können Bürgerrechtler wenig anfangen.“
Inwiefern diese ominöse „Expertenkommission“ in dunklen Hinterzimmern überhaupt zu irgendwelchen praktikablen Ergebnissen kommt, dürfte eher fraglich sein: Zuviele Parteifunktionäre hängen an Posten und Macht.