Die Relevanz des Lausitzer Seminars für die Sorben

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Die Tschechen sowie die Sorben, die auch als Wenden bekannt sind, haben ihre Wurzeln in alten slawischen Stämmen. Im Mittelalter gehörte das Siedlungsgebiet der Sorben, die Lausitz, sogar zum böhmischen Königreich. 1320 eroberte Johann von Luxemburg Bautzen. Sein Nachfolger, Kaiser Karl IV., wies die deutschen Kurfürsten an, die slawische Sprache zu erlernen und ihre Nachkommen entsprechend zu unterrichten.

Diese Zeit war geprägt von einem intensiven kulturellen Austausch zwischen den beiden Völkern. Zahlreiche Studierende aus der Lausitz reisten vor allem nach Prag, aber auch in andere böhmische Städte, um dort ihre Ausbildung zu erhalten. Dies war nicht ungewöhnlich, da Prag damals als das Zentrum Mitteleuropas galt. Besonders viele Priester kehrten nach ihrem Studium in ihre Heimat zurück und trugen zur Verbreitung der slawischen Sprache in der Lausitz bei. Diese Situation hielt bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts an. 1635 überließen die Habsburger die Lausitz dem protestantischen Sachsen, wobei jedoch festgelegt wurde, dass das Gebiet westlich von Bautzen katholisch blieb und die dort lebenden Gemeinden dem wendischen Kloster Marienstern unterstellt waren. Diese Katholiken standen weiterhin unter der Aufsicht des Prager Erzbischofs. Für die Priester ergab sich jedoch ein Problem: In Sachsen sowie in Prag existierte keine theologische Ausbildungsstätte, an der Sorbisch gelehrt wurde.

An der Schwelle vom 17. zum 18. Jahrhundert gründeten die wendischen Brüder Šimanec eine Stiftung, um zwölf jungen Männern das Studium der katholischen Theologie zu ermöglichen. 1726 wurde der Grundstein für das Lausitzer Seminar in Prag gelegt. Diese Institution diente jedoch nicht nur der Lehre, sondern auch als Versammlungsort für bedeutende nationale Erwecker jener Zeit. Ein regelmäßiger Besucher war beispielsweise Václav Hanka, ein gebildeter tschechischer Philologe und Sorabist, der leider vor allem durch seine Fälschungen von Handschriften in die Geschichte einging.

Auch der tschechische Dichter Karel Jaromír Erben sowie der slowakische Philologe Martin Hatala fanden dort zusammen. All diese Persönlichkeiten hatten einen erheblichen Einfluss auf das sorbische Selbstbewusstsein. Die überwältigende Mehrheit – möglicherweise 80 bis 90 Prozent der sorbischen nationalen Erwecker – absolvierte ihre Ausbildung am Lausitzer Seminar in Prag, darunter auch Schriftsteller wie Jan Pietr Jordan, Jakub Barth Čišinski, Michal Hórnik und Jan Skala sowie viele weitere. Das Seminar blieb bis 1923 bestehen. In diesem Jahr wurde das Bistum Meißen neu ins Leben gerufen und Bischof Christian Schreiber erklärte, dass er mit den „slawischen Winkelzügen“ aufräumen wolle. Er verkaufte das Gebäude des Seminars an die Stadt Prag und war nicht gerade ein Befürworter der Sorben.

Dennoch blieb die Freundschaft zwischen den Sorben und Tschechen unberührt von diesen Ereignissen. Im Gegenteil: Die tschechoslowakische Regierung verpflichtete sich, jährlich einigen sorbischen Studierenden ein Studium an der Prager Universität zu finanzieren und hielt dieses Versprechen bis 1938 ein.