Geheimpolizei und Spionage im Römischen Reich: Die Rolle der Frumentarii und ihrer Nachfolger

Die Kaiser des Römischen Reiches waren nicht nur ausschließlich auf die Überwachung der Außenpolitik und der Grenzen konzentriert. Im Gegenteil, das Innere des Reiches war ebenso von großem Interesse für die Herrscher, die stets bemüht waren, ihre Macht zu sichern und mögliche Gegner frühzeitig zu erkennen. Innerhalb der römischen Gesellschaft gab es zahlreiche Gegner, die durch Aufstände, Verschwörungen oder persönliche Konflikte das fragile Machtgefüge bedrohten. Immer wieder kam es zu Aufständen, die ganze Provinzen erschütterten, und auch Verschwörer versuchten, den Kaiser durch Attentate zu beseitigen. Selbst familiäre Streitigkeiten und persönliche Konflikte innerhalb des kaiserlichen Hauses konnten für den Machthaber zu einer ernsthaften Bedrohung werden. Um ihrer Herrschaft zu sichern, war es daher unerlässlich, sich gegen diese oppositionellen Kräfte abzusichern. Dies wurde erreicht, indem man systematisch Informationen sammelte, Spitzel einschickte und oppositionelle Gruppen ausspionierte, um frühzeitig zu reagieren. Besonders effektiv war es, wenn es gelang, diese Gruppen durch sogenannte Geheimagenten – den sogenannten speculatores – zu infiltrieren. Diese Aufgabe wurde von speziell ausgebildeten Spionen übernommen, die eine besondere Ausbildung genossen und in der Lage waren, in den Reihen der Gegner und auch innerhalb der eigenen Gesellschaft Informationen zu sammeln.
Die Anfänge der Spionage im Römischen Reich: Julius Caesar und die Speculatores
Bereits Julius Caesar nutzte während seiner Feldzüge in Gallien Kundschafter, um geheime Informationen zu sammeln. Diese Spione, die in Rom auch als Leibwache fungierten, erledigten geheime Aufträge, die den politischen Machthabern halfen, ihre Gegner zu überwachen und ihre Netzwerke zu kontrollieren. Caesar setzte sie ein, um die Bewegungen seiner Feinde zu beobachten und um das politische Geschehen im Inneren Roms im Blick zu behalten. Im Lauf der Zeit entwickelten sich diese Spezialisten weiter und übernahmen zunehmend die Funktion einer Art Geheimpolizei – wobei der Begriff Geheimpolizei in diesem Zusammenhang allerdings etwas irreführend ist, da das römische Imperium kein moderner Staat war und den Herrschern die Mittel und Strukturen eines modernen Polizeiapparats fehlten. Dennoch waren diese Einheiten von zentraler Bedeutung für die innere Sicherheit.
Die Frumentarii: Die wichtigste Überwachungsgruppe ab ca. 100 n. Chr.
Die bedeutendste Gruppe, die ab etwa 100 n. Chr. mit Aufgaben der inneren Überwachung betraut wurde, waren die sogenannten Frumentarii. Ihr Name leitet sich vom lateinischen Wort frumentum ab, was so viel bedeutet wie „Getreide“. Ursprünglich bestanden diese Soldaten aus der Armee und hatten die Hauptaufgabe, Nahrungsmittel für die römischen Streitkräfte zu beschaffen. Dabei waren sie für den Kauf oder die Beschlagnahme von Getreide verantwortlich, das die lebenswichtige Nahrung für die Legionen darstellte. Wer für die Getreidebeschaffung zuständig war, hatte Zugang zur militärischen Infrastruktur und zum Cursus Publicus, dem staatlichen Fernstraßensystem, das den Transport von Nachrichten und Waren regelte. Dadurch reisten die Frumentarii viel und erhielten Einblick in eine Vielzahl von Angelegenheiten, die eigentlich außerhalb ihrer ursprünglichen Aufgaben lagen. Sie waren in der Lage, in die militärischen und zivilen Strukturen einzugreifen, und wurden zunehmend für geheime Missionen genutzt.
Die Verwendung der Frumentarii unter den Kaiserherrschern
Unter Kaiser Domitian wurden die Frumentarii im Castra Peregrina in Rom zusammengezogen, einem Lager auf dem Caelius, das ursprünglich zur Unterbringung von Soldaten aus den Provinzen diente. Dort bildeten sie eine geschlossene Einheit, den sogenannten Numerus Frumentariorum. Über die Aktivitäten dieser Gruppe in der inneren Überwachung und Spionage kursieren zahlreiche Berichte, die bis heute für Aufsehen sorgen. Die Historia Augusta, eine spätantike Sammlung von Kaiserbiographien, erwähnt in der Vita Hadriani, dass Kaiser Hadrian sehr aktiv im Privatleben seiner Standesgenossen schnüffelte und dazu die Frumentarii einsetzte. Ein Beispiel, das in dieser Sammlung angeführt wird, beschreibt, wie Hadrian von einem Streit zwischen einem Senator und seiner Frau erfährt. Die Frau beschwerte sich, dass ihr Mann ständig den Bädern und Vergnügungen frönte und kaum zu Hause war. Als der Senator beim Kaiser um Urlaub bittet, wird er von Hadrian gerügt und an seine ausschweifenden Lebensgewohnheiten erinnert. Auch in anderen Biographien der Historia Augusta wird die Bezeichnung Frumentarii verwendet, wenn Kaiser Spione beauftragten, ihre Untertanen auszuhorchen.
Spionage im Dienste der Kaiser: Beispiele aus der Geschichte
Ein weiteres Beispiel ist Kaiser Macrinus (217–218 n. Chr.), der die Frumentarii angeblich angewiesen haben soll, sich in die privaten Angelegenheiten ihrer Kameraden einzumischen. So kam beispielsweise ans Licht, dass Soldaten eine sexuelle Beziehung mit der Magd des Hauses hatten, in dem sie stationiert waren – ein Skandal, der durch die Spionagetätigkeit ans Licht gebracht wurde. Auch Kaiser Gallienus (253–268) erhielt durch die Frumentarii Informationen über Gerüchte, die seinen fähigsten General, Claudius, belasteten. Claudius wurde hinter seinem Rücken als „rechter Lüstling“ bezeichnet, was den Kaiser beunruhigte, da er fürchtete, dass der General gegen ihn intrigieren könnte. Um ihn zu kontrollieren, befahl Gallienus, die Offiziere dazu, Claudius Geschenke zu überreichen und so seine Loyalität zu sichern. Die Vita berichtet, dass hierbei große Mengen an Gold- und Silbergeschirr, wertvolle Kleidung – darunter parthische Schuhe und ein taschentuch aus Sarepta – sowie eine Summe von 450 Aurei übergeben wurden, um den General zu bestechen.
Die Rolle der Frumentarii und ihrer Nachfolger bei politischen Intrigen
Nicht nur in der Historia Augusta finden sich Hinweise auf die Spionagetätigkeit der Frumentarii. Laut dem bithynischen Senator und zweimaligen Konsul Cassius Dio stiegen unter Kaiser Caracalla (211–217) zwei Offiziere namens Ulpius Julianus und Julianus Nestor innerhalb der Prätorianergarde auf. Zuvor hatten sie als Kommandanten der Castra Peregrina gedient und sich durch ihre Spionagetechniken das Vertrauen des Kaisers erworben. Mehrere Kaiser vertrauten auf qualifizierte Soldaten, um geheime Operationen durchzuführen. So nutzte Septimius Severus nach seinem Sieg über den Rivalen Pescennius Niger in Britannien getarnte Killer, um den Usurpator Clodius Albinus auszuschalten. Diese Agenten, vermutlich Frumentarii, sollten den Gegner bei der Übergabe von Briefen ermorden und dabei möglicherweise auch Gift verwenden. Herodian, ein griechischer Historiker, beschreibt, dass die Abgesandten aus Rom, die den Auftrag hatten, Albinus zu eliminieren, bei ihrer Ankunft in Britannien erkannt und gefasst wurden. Sie wurden gefoltert und gaben schließlich ihre finsteren Pläne preis. Severus sah sich dadurch gezwungen, gegen Albinus vorzugehen, was einen Bürgerkrieg von über zwei Jahren nach sich zog, bis Albinus endgültig besiegt wurde.
Die Grenzen und die Kritik an den Spionageeinheiten
Es ist jedoch wichtig, diese verstreuten Informationen nicht allzu überzubewerten. Die Frumentarii waren keine organisierte „Geheimpolizei“ im modernen Sinne, wie man sie heute kennt. Vielmehr handelte es sich um Soldaten mit einem breiten Aufgabenspektrum, bei dem das Schnüffeln und Ausspionieren eine wichtige, aber nicht die einzige Aufgabe war. Besonders in Bezug auf ihre eigenen Kameraden und wohlhabendere Bürger waren sie oft im Einsatz, um Kontrolle und Überwachung durchzuführen. Das Motto schien zu lauten: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“ Hinweise darauf, dass die Frumentarii bei der Bevölkerung nicht allzu beliebt waren, finden sich bei Aurelius Victor, der sie als Pestilens Genus – „schädliche Typen“ – bezeichnet und Kaiser Constantius I. für die Entscheidung lobt, diese Einheit abzuschaffen. Das lässt vermuten, dass die Frumentarii bei bestimmten Bevölkerungsschichten eher verhasst waren, während sie bei der kaiserlichen Elite und den militärischen Führern einen hohen Stellenwert hatten.
Nachfolgeorganisationen: Die Agentes in Rebus und ihre Aufgaben
Später im spätantiken Reich wurden die Aufgaben der Frumentarii von neuen Organisationen übernommen, die man die Agentes in Rebus nannte. Der Name bedeutet so viel wie „Generalbevollmächtigte“ oder „Vertreter in Sachen“. Diese Einheiten waren schwer zu fassen, denn ihr Aufgabenspektrum war nicht klar umrissen. Sie waren zwar ebenfalls Soldaten, doch nicht den Prätorianerpräfekten direkt unterstellt, sondern organisierten sich in einer eigenen, so genannten „Schola“. Ihre Aufgaben umfassten den Transport vertraulicher Dokumente, die Überwachung der Provinzen sowie die Kontrolle des staatlichen Postsystems, des Cursus Publicus. Sie waren eifrige Nutzer des staatlichen Transportsystems und hatten das Recht, bei Gesetzesverstößen einzuschreiten. Das Gesetz, der Codex Theodosianus, schreibt vor, dass die Agentes in Rebus alles beobachten und dem Kaiser berichten sollten, was ihnen im Staat auffiel.
Berichte aus der Provinz: Überwachung und Eingreifen in der Praxis
Ammianus Marcellinus, ein bedeutender römischer Historiker, schildert, wie ein Agentes in Rebus in der Provinz Pannonia in der heutigen Republik Serbien einen Fall beobachtete: Bei einem Gastmahl in Sirmium, bei dem die Gäste bereits alkoholisiert waren, wurde laut Bericht die Meinung laut, dass Kaiser Constantius II. möglicherweise seine Gegner durch Machtmittel ausschalten wolle. Der Gaudentius, ein Agent in Rebus, belauschte das Gespräch, informierte den Stabschef Rufinus, und dieser wiederum berichtete dem Kaiser. Daraufhin wurden die Verdächtigen festgenommen, verhört und brutal gefoltert – doch zum Glück blieben sie am Leben. Diese Geschichten zeigen, wie die Agenten in Rebus in der Praxis arbeiteten, wie sie Privatgeheimnisse aufdeckten und auch bei Gesetzesverstößen eingriffen.
Privilegien, Kontrolle und die Kritik an den Agentes in Rebus
Die Agentes in Rebus genossen zahlreiche Privilegien: Sie waren steuerbefreit, konnten das Cursus Publicus nutzen, und ihre Offiziere mussten sich vor keinen gewöhnlichen Gerichten verantworten. Bei Beendigung ihres Dienstes erhielten sie oft eine hohe Stellung, etwa eine Statthalterfunktion oder einen Sitz im Senat. Aufgrund des hohen Prestiges und der Bedeutung der Position wurden die Einstellungskriterien immer strenger, bis hin zu einem persönlichen Placet des Kaisers. Nachdem Kaiser Julian die Zahl der Agentes in Rebus drastisch auf 17 reduziert hatte, wurden später im Osten mehr als eintausend von ihnen eingesetzt. Dennoch waren die Möglichkeiten der kaiserlichen Überwachung begrenzt. Hochrangige Militärs und Spitzen der Verwaltung waren die Zielpersonen, vor denen sich die Agenten besonders fürchten mussten, während für die einfachen Bürger auf der Straße die Gefahr durch die Spione vermutlich noch größer war.
Überwachung, Kontrolle und das Spannungsfeld im römischen Reich
Die Organisationen der Frumentarii und später der Agentes in Rebus zeigen, wie wichtig den römischen Kaisern Geheimdienst und Spionage waren, um die innere Sicherheit des Reiches zu gewährleisten. Obwohl diese Einheiten niemals ein moderner Geheimdienst im heutigen Sinne waren, erfüllten sie doch zentrale Funktionen der Überwachung, Kontrolle und Einschüchterung. Ihre Aktivitäten waren oftmals im Verborgenen, doch ihre Bedeutung für die Stabilität und den Machterhalt der Kaiser war unbestreitbar. Die Kritik an ihnen, etwa bei Aurelius Victor, zeigt auch die Schattenseiten dieser Überwachungsmaßnahmen – sie waren gefürchtet, verhasst und zugleich unverzichtbar für die kaiserliche Macht. Das Spannungsfeld zwischen Kontrolle und Freiheit, Vertrauen und Überwachung prägte die römische Gesellschaft über Jahrhunderte hinweg und hinterließ Spuren, die bis heute nachwirken.
















