“Sozial-industrieller Komplex” – “Nicht die Interessen der Arbeitslosen stehen dabei im Mittelpunkt, sondern die der Mitarbeiter”
Vermittlung – In der Welt der staatlichen Jobcenter dreht sich primär alles um die Vermittlung von Arbeitslosen. Was zunächst positiv erscheint, entpuppt sich bei näherer Betrachtung jedoch als Illusion. Es gibt darüber sogar ein Buch: “Der „sozial-industrielle Komplex“ und seine (öffentlichen) Kosten” – Denn oftmals werden Arbeitslose nicht in echte, zukunftsorientierte Anstellungen vermittelt, sondern es handelt sich häufig lediglich um fragwürdige Bildungsmaßnahmen und Ein-Euro-Jobs. Letztere können in einigen Fällen sogar reguläre Arbeitsplätze verdrängen, während gleichzeitig nach wie vor die Rhetorik der Sozialschmarotzer verbreitet wird.
„Sozialwissenschafterin: Nazi-Rhetorik gleicht heutigem Diskurs über Randgruppen – „Sozialschmarotzer“, „Arbeitsscheue“ sind Begriffe, die während der NS-Zeit für Menschen verwendet wurden, die als „asozial“ eingestuft und verfolgt waren. „Die Rhetorik erinnert mich sehr an den heutigen Diskurs“, sagte die Sozialwissenschafterin … .“
„Die Rhetorik erinnert mich sehr an den heutigen Diskurs“
Jedoch lässt sich diese Form der Sprachverwendung auch in anderen Epochen der Geschichte beobachten. Folglich sind Maßnahmen zur Arbeitsverpflichtung keine echte Innovation.
“Menschen, die sich aus »Arbeitsscheu« einer geregelten Arbeit entzögen, sollten mit Arbeitserziehung bzw. Freiheitsentzug von zwei bis fünf Jahren bestraft werden”
>>Frauen in der DDR von Anna Kaminsky (Buch) <<
“Die Pflicht zur Arbeit – Schließlich wurde das in der Verfassung von 1949 verankerte Recht auf Arbeit in der 1968 verabschiedeten neuen »sozialistischen« Verfassung durch die Arbeitspflicht ergänzt. Wie schon in den Jahren zuvor wurde nicht jede Tätigkeit als sinnvoll anerkannt, sondern nur die von der SED als »gesellschaftlich nützlich« definierte Arbeit. … Die Pflicht zur Arbeit fand auch Eingang in das Strafgesetzbuch der DDR. Menschen, die sich aus »Arbeitsscheu« einer geregelten Arbeit entzögen, sollten mit Arbeitserziehung bzw. Freiheitsentzug von zwei bis fünf Jahren bestraft werden können. Zusätzlich konnten staatliche Maßnahmen zur Kontroll- und Erziehungsaufsicht wie verschärfte Meldepflichten und Arbeitsplatzzwang verhängt werden.”
“Konnten staatliche Maßnahmen zur Kontroll- und Erziehungsaufsicht wie verschärfte Meldepflichten und Arbeitsplatzzwang verhängt werden”
Maßnahmen zur Erziehung angeblich arbeitsunwilliger Menschen sind ein häufig behandeltes Thema in der Geschichte. Im Gegensatz dazu wird selten über höhere Gehälter, geringere Abgaben und Steuern oder optimierte Arbeitsbedingungen diskutiert. Was tatsächlich dahinter steht, wird an anderer Stelle klarer.
“Ein-Euro-Jobs” – “Besonders billige Arbeitskräfte”
“Ein-Euro-Jobs – “Besonders billige Arbeitskräfte” – In Deutschland arbeiten viele Arbeitslose für einen Euro pro Stunde. Was im Rahmen von Hartz-IV als “Rückführung an den Arbeitsmarkt” gedacht war, wird immer öfter als billige Personalquelle missbraucht.”
“Ein-Euro-Jobs” – “Immer öfter als billige Personalquelle missbraucht”
Diese Beschäftigungsangebote haben den Zweck, Arbeitslose als “besonders billige Arbeitskräfte” zu verwenden. Was ursprünglich als “Reintegration in den Arbeitsmarkt” im Kontext von Hartz-IV konzipiert wurde, wird in der Realität jedoch als preiswerte Quelle für Arbeitskräfte genutzt.
“Der Bundesrechnungshof (BRH) rügt schon lange, dass Ein-Euro-Jobber Aufgaben der öffentlichen Hand übernehmen”
“Der Bundesrechnungshof (BRH) rügt schon lange, dass Ein-Euro-Jobber Aufgaben der öffentlichen Hand übernehmen. … kritisierte der BRH, dass Jobcenter den Hartz-IV-Empfängern “meist wahllos Arbeitsgelegenheiten” zuwiesen, sodass Kommunen, Wohlfahrtsverbände oder Firmen “ungeförderte Tätigkeiten im ersten Arbeitsmarkt durch öffentliche geförderte Beschäftigung ersetzen und so ihre Personalkosten reduzieren”. … “
“Ungeförderte Tätigkeiten im ersten Arbeitsmarkt durch öffentliche geförderte Beschäftigung ersetzen und so ihre Personalkosten reduzieren”
Obwohl diese Vermittlungsweise einer bestimmten inneren Logik folgt, werden Arbeitslose, die an einem Kurs teilnehmen oder Ein-Euro-Jobs im öffentlichen Sektor ausüben, in der Arbeitslosenstatistik nicht erfasst und fallen daher aus der offiziellen Arbeitslosenstatistik heraus.
“Nicht die Interessen der Arbeitslosen stehen dabei im Mittelpunkt, sondern die der Mitarbeiter”
“An ihrer besonderen Wirksamkeit kann dieser Fokus auf Kurse nicht liegen. Die Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) macht deutlich, dass Arbeitslose dadurch kaum nachhaltig in Arbeit gebracht werden. Sechs Monate danach sind mehr als zwei Drittel der Teilnehmer noch immer im Hartz-IV-Bezug. Warum ist die Auslastung der Kurse den Jobcentern dann so enorm wichtig? „Ob so ein Kurs den Arbeitslosen etwas bringt, spielt bei der Vergabe keine Rolle“, sagt Petra Friedrichs, eine ehemalige Jobcenter-Mitarbeiterin, die eigentlich anders heißt. „Nicht die Interessen der Arbeitslosen stehen dabei im Mittelpunkt, sondern die der Mitarbeiter“, sagt sie. Das habe eine einfache Erklärung: Arbeitslose, die in einem Kurs stecken, werden in der Arbeitslosenstatistik nicht mitgezählt. Und an der Statistik hängt neben den Erfolgsmeldungen der BA die berufliche Zukunft der Jobcenter-Mitarbeiter auf unterster Ebene – sowie Boni-Zahlungen an ihre Vorgesetzten.”
“Arbeitslose, die in einem Kurs stecken, werden in der Arbeitslosenstatistik nicht mitgezählt”
Das interne Behördensystem ist darauf ausgerichtet Arbeitslose zu vermitteln, ob es sich hierbei um richtige Arbeitsplätze, Ein-Euro-Jobs oder umstrittene Bildungsangebote handelt, das ist unerheblich. So verwundert es also kaum, dass diese Strukturen ein regelrechtes Eigenleben führen. Im konkreten Beispiel hatte eine ehemalige Mitarbeiterin des Hochtaunuskreises fast 500.000 Euro veruntreut. Die Frau war für die Vermittlung und Eingliederung von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt zuständig
Wie können eigentlich 500.000 Euro unbemerkt verschwinden?
“Die ehemalige Mitarbeiterin war nicht einmal ein Jahr beim Kreis beschäftigt. Sie war zuständig für die Vermittlung und Eingliederung von Langzeitarbeitslosen. … Sie buchte Schulungen, Lehrgänge, Jobtrainings und Seminare für ihre Kunden im Jobcenter. Der Preis betrug dabei jeweils bis zu 5000 Euro. Das Problem: Die Kunden wussten davon nichts. Empfänger des Geldes waren stets Scheinfirmen, die die Frau zusammen mit ihrem Mann angelegt hatte.”
“Empfänger des Geldes waren stets Scheinfirmen, die die Frau zusammen mit ihrem Mann angelegt hatte”
Die genannte Frau erteilte somit Aufträge für Schulungsmaßnahmen, Lehrgänge und berufliche Trainingskurse. Bis zu einem Betrag von 5.000 Euro war sie befugt, diese Aufträge eigenständig und ohne vorherige Abstimmung zu vergeben. Diese Möglichkeit nutzte die Sachbearbeiterin in vollem Umfang. Regelmäßig überwies sie Gelder für angebliche Jobtrainings-Kurse an Scheinfirmen, die von ihr und ihrem Ehemann betrieben wurden. In Wirklichkeit wurden jedoch keine Eingliederungsleistungen für Arbeitslose erbracht. Diese Tatsache könnte der entscheidende “Fehler” gewesen sein. Hätten diese Scheinfirmen irgendeine Art von Pseudo-Bildungsangebot bereitgestellt, wäre der Betrug wahrscheinlich nie aufgeflogen. Bei genauerer Betrachtung wäre das Vorgehen möglicherweise sogar rechtmäßig gewesen. Denn es existiert keine umfassende Kontrolle darüber, wie sinnvoll diese Bildungsangebote tatsächlich sind. Hinter diesem System verbirgt sich eine wahre Sozialindustrie, von der zahlreiche vermeintliche soziale Einrichtungen profitieren.