Die Kulte der Mysterien in der Antike

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Es beschreibt die Situation, in der sich die Mysterien des Dionysos in Rom und anderen Städten befanden. Es wäre unvorstellbar gewesen, diese Mysterien in Städten wie Korinth, Alexandreia oder Rom zu zelebrieren. Im gesamten Mittelmeerraum waren verschiedene Mysterien verbreitet. Neben den öffentlichen Kulte für den fröhlichen Weingott bildeten sich zunehmend private Gemeinschaften, die Dionysos als einen Gott verehrten, der zwischen Ober- und Unterwelt pendelt, als Alter Ego des Totengottes Hades und als griechisches Pendant zum ägyptischen Osiris. Die mystischen Kulte um Dionysos erfreuten sich bereits im archaischen Griechenland großer Beliebtheit und fanden ihren Weg über das griechische Siedlungsgebiet in Unteritalien auf die Apenninhalbinsel und somit nach Rom.

Livius berichtet von einem anonymen Griechen, „einem, der mit Opferhandlungen dilettierte und wahrsagte“, der den Kult nach Rom brachte. Dieser Mann kam über Etrurien nach Rom, führte nächtliche Rituale durch und sammelte eine kleine Anhängerschaft um sich. Immer mehr Menschen beider Geschlechter ließen sich jedoch in die Initiationsriten einweihen, da die Freuden „von Wein und Schmaus“ sie anlockten. Unter den Feiernden herrschte sexuelle Freizügigkeit, und das ausgelassene Treiben kannte keine Grenzen. Der Grieche verführte zudem die Kultanhänger zu Meineid, Urkundenfälschung, Giftmischerei und Meuchelmord. Die Bacchanalia, wie dieser Kult in Rom genannt wurde, erschienen aus griechischer Sicht als etwas Alltägliches.

Für die traditionell denkenden Römer war dies jedoch ein Skandal. Was hinter den Mauern des Kultplatzes geschah, erweckte insbesondere in den höheren Gesellschaftsschichten Misstrauen: War es nicht offensichtlich, dass sich bei den Bacchanalien dunkle Gestalten versammelten, um mitten in der Nacht einen Umsturz zu planen? Welchen anderen Grund könnte es geben, dass Menschen sich im Verborgenen trafen? Die stereotypen Verdächtigungen, die Livius anführt, weisen alle Merkmale einer klassischen Verschwörungstheorie auf. Die Anhänger des Kults hätten Morde begangen, ohne dass eine Leiche gefunden worden wäre; die gefälschten Dokumente seien sämtlich in einer Werkstatt hergestellt worden. Zudem schien es umso geheimnisvoller, da unter dem Lärm von Trommeln und Zimbeln kein Wort nach außen drang.

Diese Machenschaften wurden schließlich durch die Intrige einer Mutter aufgedeckt, die ihren eigenen Sohn namens Publius Aebubius beseitigen wollte. Nach dem Tod ihres Mannes hatte sie erneut geheiratet, und der Stiefvater des Jungen wollte ihn seines Erbes berauben. Der Weg ins Verderben sollte für Publius über die Einweihung in die Bacchus-Mysterien führen. Doch der Plan wurde von der Prostituierten Hispala Fecelia durchkreuzt, einer Freigelassenen, die sich um den Jungen kümmerte. Als Sklavin hatte sie einst unfreiwillig an den Kulthandlungen zu Ehren des Bacchus teilgenommen. Sie warnte Publius davor, dass man ihn in dieser „Werkstatt des Verderbens“, corruptelarum officina, vollständig isolieren würde. Unter dem Lärm von Trommeln und Zimbeln würde niemand je seine Schreie hören.

Letztendlich brachte Publius die Sache beim Konsul Spurius Postumius Albinus zur Anzeige. Hispala Fecelia wurde vorgeladen und enthüllte alles, was sie über den geheimen Kult wusste. Postumius sorgte für den Schutz der beiden Zeugen und setzte eine Belohnung für Denunziationen aus. So kam ein Sumpf von Verbrechen und Laster ans Licht, den Postumius vor dem Senat offenbarte: sexueller Missbrauch, Homosexualität und Mord. Der Kult hatte sich zunehmend ausgebreitet und immer mehr Menschen angezogen; er fand schließlich mehrfach im Monat statt. Postumius berief eine Volksversammlung ein und hielt eine leidenschaftliche Rede gegen die Machenschaften der Bacchanalen. Einige würden behaupten, es handele sich um eine legitime Form von Religion und betreffe nur wenige Personen. Aber es gebe bereits Tausende von Anhängern und täglich würden es mehr werden. Die Verschwörung sei zwar noch nicht stark, drohe jedoch zu wachsen. Gefahr sei im Verzug; so sprach er seine Mitbürger an:

“Glaubt ihr denn, Quiriten, dass man Männern, die sich bei diesem ekelhaften Heiligtum versammeln, Waffen anvertrauen darf? Werden Männer, die durch solche Ausschweifungen und die anderer entwürdigt sind, auf Leben und Tod für die Keuschheit ihrer Frauen und Kinder kämpfen?”

Die Konsuln wurden zu sofortigem Handeln ermächtigt: 7000 Menschen wurden angeklagt; viele von ihnen wurden hingerichtet. Der Senatsbeschluss vom 7. Oktober 186 v.Chr., der die Bacchanalien künftig unter strenge staatliche Kontrolle stellte, ist schriftlich überliefert:

„Und niemand wünsche hernach sich untereinander durch Eid, durch Gelübde, durch Gelöbnis, durch Versprechen zu verbinden, und niemand wünsche ein Treueversprechen untereinander zu geben. Niemand wünsche ein Ritual im Verborgenen zu vollziehen. Niemand wünsche öffentlich oder privat oder außerhalb der Stadt ein Ritual zu vollziehen, es sei denn, sie gingen den Stadtprätor an, und dieser geböte es auf Grundlage eines Senatsbescheids, wobei nicht weniger als einhundert Senatoren anwesend seien, wenn diese Angelegenheit beraten wird. Sie beschlossen.“

Der Senatsbeschluss verdeutlicht deutlich das Unbehagen der römischen Behörden gegenüber diesen Mysterien: Die Abgeschiedenheit der Feiernden von der Öffentlichkeit sowie ihre Bruderschaft und Geheimniskrämerei weckten den Verdacht auf böswillige Absichten innerhalb der Kultgemeinschaft – dies widersprach dem römischen Verständnis von Religion. Kulte gehörten in den öffentlichen Raum und waren durch die Gesetze der res publica legitimiert. Alles, was nicht auf der Bühne der Republik stattfand oder möglicherweise nachts geschah, überschritt schnell die Grenze zur superstitio und damit zur Gefährlichkeit.

Es ist daher nicht überraschend, dass ähnliche Vorfälle wie der Skandal um die Bacchanalia häufiger vorkamen – insbesondere wenn die Römer mit fremden religiösen Vorstellungen konfrontiert wurden. Einer dieser Kulte war der Isiskult am Tiber, der großes Misstrauen erregte; Apuleius empfahl ihn als vermeintlich rationale Alternative zum Hokuspokus von Magiern und Hexen. Ende des 2. Jahrhunderts n.Chr., als Apuleius seine Metamorphosen verfasste, waren Isis und Osiris längst akzeptierte Bestandteile des römischen Kultlebens geworden. Die flavischen Kaiser sowie Trajan und Hadrian förderten diesen ursprünglich aus Ägypten importierten Kult intensiv.

Früher war dies jedoch nicht immer so gewesen. Der jüdische Historiker Flavius Josephus berichtet davon, dass Kaiser Tiberius den Isistempel in Rom zerstören ließ. Das Verbot des Kults im Jahr 19 n.Chr. hatte folgende Hintergründe: Der römische Ritter Decius Mundus verliebte sich in die schöne und wohlhabende Paulina; diese war jedoch nicht nur sehr tugendhaft sondern auch verheiratet. Sein Versuch scheiterte kläglich; Paulina mit einer hohen Geldsumme zu überzeugen, eine Nacht mit ihm zu verbringen. Daraufhin suchte er Rat bei seiner Freigelassenen Ide – einer Anhängerin des Isiskults – und bot ihr 50.000 Drachmen für ihre Unterstützung an. Ide wandte sich an die Priester von Isis und bot ihnen ebenfalls Geld an; sie überzeugte einen ältesten Priester dazu, Paulina einen Besuch abzustatten. Dieser erzählte ihr von Anubis’ persönlicher Auserwählung; Paulina fühlte sich geehrt und folgte dem Priester in den Isistempel.

Kaum war sie eingeschlafen, schlich Mundus verkleidet als Anubis in ihr Zimmer „und es misslang ihm nicht“, ihr Freude zu bereiten. Am nächsten Morgen kehrte Paulina glücklich nach Hause zurück und berichtete begeistert von ihrem Erlebnis. Einige Tage später traf sie zufällig Mundus wieder; dieser erzählte ihr nun selbst stolz von seiner Rolle als Anubis in ihrem Bett – das Gerücht verbreitete sich rasch in ganz Rom; der Skandal war perfekt! Während Mundus mit Verbannung davonkam, ließ Tiberius den Isistempel bis auf die Grundmauern niederreißen sowie die Priester kreuzigen und verbot den Kult endgültig.

Im selben Jahr führte ein ähnlicher Skandal dazu, dass Tiberius auch alle Juden aus Italien auswies – sofern sie nicht bereit waren abzuschwören vom Judentum; zuvor hatte er bereits Magier und Astrologen aus Italien verbannt. Tiberius hielt es vermutlich ähnlich wie einst Konsul Spurius Postumius: Den Anhängern von Kulte – gleich ob Juden oder Anhängern Isises oder Zauberern – traute er nur das Allerschlimmste zu.”