Charakteristik des Kleinstaates: Eine Betrachtung aus der Perspektive der Basis

Screenshot youtube.com Screenshot youtube.com

Sind kleinere, dezentralisierte Regierungsstrukturen erforderlich? Auf dem Papier mag es aufgrund der Erzielung von Skaleneffekten effizienter erscheinen, in großer Dimension zu agieren, doch in der Praxis erweist sich die Kleinheit als effizienter. Ein Elefant kann sich schnell ein Bein brechen, während eine Maus unbeschadet aus dem Fenster geworfen werden kann; Größe führt zu Zerbrechlichkeit.

Wenn die Schweiz die Maus darstellt, dann sind die EU sowie Länder wie Frankreich, Großbritannien, Spanien, Italien oder Deutschland die Elefanten. Mit zunehmender Größe politischer Einheiten steigt auch ihre Komplexität. Politische Eingriffe und Interventionen wirken umso störender, da sie durch ihre Wechselwirkungen nicht als Störfaktoren erkannt werden. Diese Wechselwirkungen werden jedoch als Störungen wahrgenommen und rechtfertigen zusätzliche Eingriffe und Interventionen der Politik. Bei schwachem Wirtschaftswachstum oder in Zeiten von Rezessionen werden solche reflexartigen Maßnahmen als Stabilisierungs- oder Konjunkturpolitik bezeichnet.

Dies klingt positiv und vermittelt den Bürgern den Eindruck, dass die Politik über eine Theorie und einen Plan verfügt. Je größer und regulierter Systeme sind und je mehr sie auf Stabilität ausgerichtet werden, desto träger und anfälliger werden sie. Insbesondere in den letzten Jahren war deutlich zu beobachten, wie durch künstlich geschaffene Stabilität komplexe Systeme ihrer Variabilität beraubt wurden. Dies zeigt sich jedoch oft erst, wenn unerwartete Ereignisse eintreten und Systeme in eine Krise geraten. Dann schaltet die Politik in den Krisenmodus um. Politiker treten vor Mikrofone und beginnen ihre Ansprache mit “Wir müssen …”.

In solchen Zeiten sind Besserwisser besonders aktiv. Es folgen Maßnahmen, deren Wechselwirkungen in einem komplexen System niemand vorhersagen kann. Ein Teufelskreis entsteht. Am Beispiel der Schweiz, die ökonomisch als der robusteste Ort weltweit gilt, lässt sich feststellen, dass das “von unten nach oben” strukturierte Herrschaftssystem in Verbindung mit der Größe des Landes ein hohes Maß an Variabilität ermöglicht und somit Antifragilität und Robustheit hervorbringt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft weder ein Staatsoberhaupt noch einen Regierungschef im klassischen Sinne vorsieht; die Aufgaben des Bundespräsidenten beschränken sich auf den Vorsitz des Bundesrates und repräsentative Tätigkeiten.

Wer könnte die Namen der wichtigsten Schweizer Politiker nennen? Selbst für die Schweizer selbst ist es nicht von großer Bedeutung zu wissen, wer der aktuelle Bundespräsident ist, da dieser sich wenig in ihr Leben einmischt – ganz im Gegensatz zu den Mächtigen in der EU oder anderen Ländern. Diese intervenieren stark und sind daher bekannt. Sie präsentieren sich gerne auf internationaler Bühne und reisen von Gipfeltreffen zu Gipfeltreffen, um scheinbar notwendige Maßnahmen zu beschließen, die Probleme lösen sollen, die sie selbst verursacht haben. Es ist daher vorzuziehen, langweilig und stabil zu sein als instabil und mit endlosen Berichterstattungen über politische Veranstaltungen konfrontiert zu werden.

Stabilität wäre kein Problem, wenn das europäische Fahrrad so viele Räder hätte, dass es von selbst im Gleichgewicht bleiben könnte. Es müsste nicht von Brüssel aus gesteuert werden. Das EU-System ähnelt einem Fahrrad: Hält man es an, fällt es um. Anders ausgedrückt: Es gibt keine Alternative zur fortschreitenden Zentralisierung der Macht in Brüssel. Vielleicht gibt es eine Parallele zur Natur, wo Organismen bei Erreichen einer optimalen Größe ihr Wachstum einstellen.

Daraus ergibt sich die Erkenntnis, dass es viel einfacher wäre, wenn die moderne europäische Geschichte den physikalischen Gesetzmäßigkeiten folgen würde: Qualität sollte über Quantität stehen. In der Schweiz herrscht Dezentralität statt Zentralismus; die Variabilität des Dezentralen schafft letztendlich Stabilität. Die Erkenntnisse einer “Bottom-up”-Perspektive sind in der Schweiz nahezu vorbildlich umgesetzt: Die Bundesregierung ist schwach, während die Basis – die Kantone und innerhalb dieser die Gemeinden – stark ist.

Bei logischem Nachdenken führt kein Weg an dem Schluss vorbei: Kleinheit ist schön. Darüber hinaus gelangt man im Hinblick auf die Schweiz zu einer Einschätzung, die bei Befürwortern zentralistischer Politik – also den meisten Politikern – für Atemnot sorgen dürfte: Die gleiche Idee könnte auch im restlichen Europa funktionieren. Nichts wäre einfacher, als Europa in kleinere Regionen aufzuteilen. Die Voraussetzungen dafür sind bereits gegeben: Im Gegensatz zum Versuch eines einheitlichen Gebäudes gibt es kaum natürlichen Widerstand dagegen, da kleine Regionen bereits existieren.

Im heutigen Europa finden wir nicht nur Deutschland, sondern auch Bayern, Franken, Friesland, Rheinland und Lausitz; nicht nur Großbritannien, sondern auch Schottland, Wales und Irland; nicht nur Spanien, sondern auch Katalonien und das Baskenland; nicht nur Italien, sondern auch die Lombardei und Sizilien.

Diese Regionen sind durch ihre Fusion zu einem modernen Nationalstaat nicht verschwunden; sie bewahren den Reiz ihrer eigenen Dialekte, Bräuche und Literatur. Besonders Deutschland hat viele seiner regionalen Eigenheiten und deren Charme bewahrt. Diese Unterschiede machen gerade seine Stärke und Schönheit aus: das Allgäu, der Harz, das Rheinland, das Siegerland, das Emsland, Friesland, Franken, das Münsterland, der Schwarzwald sowie das Mecklenburger Seenland besitzen ihre unverwechselbaren Merkmale und einzigartigen Reize.

Benötigen diese Regionen wirklich die politische Maschinerie Brüssel (oder Berlin), um kulturell und wirtschaftlich erfolgreich zu sein? Sind die Bestrebungen zur Zentralisierung der EU nicht eine Gefahr für regionale Eigenarten und führen möglicherweise zu deren schleichendem Absterben? Könnten diese Regionen nicht besser eigenständig bestehen? In diesem Buch möchten wir zeigen: Ja, sie können es auch alleine schaffen – und zwar besser! Befürworter kleiner politischer Einheiten – sei es in Katalonien oder Schottland – werden von Zentralstaatspolitikern oft abwertend als “Separatisten” bezeichnet. Wer im Internet nach “Separatist” sucht und sich die Bilder anzeigen lässt, wird auf schwerbewaffnete Soldaten treffen; friedlich feiernde Katalanen oder Bilder aus Bayern hingegen sucht man vergeblich – obwohl viele Bayern für einen autonomen bayerischen Staat plädierten. Was ist also so schlimm daran, wenn eine Bevölkerungsgruppe friedlich nach Eigenständigkeit strebt?

Das Selbstbestimmungsrecht bezüglich der Zugehörigkeit zu einem Staat bedeutet also: Wenn die Bewohner eines Gebiets – sei es ein einzelnes Dorf oder mehrere zusammenhängende Regionen – durch unbeeinflusste Abstimmungen klarstellen möchten, dass sie nicht Teil des aktuellen Staates bleiben wollen und stattdessen einen eigenen Staat gründen oder einem anderen Staat angehören möchten, sollte diesem Wunsch Rechnung getragen werden.

Nur so können Bürgerkriege sowie Revolutionen effektiv verhindert werden. Das Selbstbestimmungsrecht bezieht sich jedoch nicht auf das Recht von Nationen zur Selbstbestimmung; vielmehr betrifft es das Recht der Bewohner eines jeden Gebiets groß genug für einen eigenständigen Verwaltungsbezirk. Wäre es möglich jedem Einzelnen dieses Selbstbestimmungsrecht einzuräumen, so müsste dies geschehen! Nur das Fürstentum Liechtenstein verfügt über eine Verfassung mit einem Sezessionsrecht für einzelne Gemeinden – hier genügt eine Mehrheit unter den Gemeindemitgliedern für eine Abspaltung. Doch Liechtenstein stellt eine Ausnahme dar; die ansonsten von Politikern verbreitete Standardbotschaft lautet: Groß ist gut; klein ist schlecht sowie in einer globalisierten Welt zu schwach.

Der weiteren Zusammenführung zu größeren politischen Einheiten bis hin zu einem Weltstaat gibt es keine Alternative – was als positiv dargestellt wird! Dieses Bild wird gezeichnet; wer sich aus einem Verbund wie der EU lösen möchte gilt als uneuropäisch und veraltet. Die Assoziationen bei Begriffen wie Separatismus oder Sezession können gar nicht negativ genug sein! Die vermeintliche “Geheimwaffe” der EU erweist sich somit als nichts weiter als ein Scheinargument: Ihre Munition besteht nicht aus Kompromissen sondern aus einseitiger Agitation; das oberste Ziel ist ganz sicher nicht die Verknüpfung von Interessen der Menschen sondern Machtstreben sowie Gleichmacherei auf Kosten des Wettbewerbs! Möchte man den Menschen dienen müsste man ihnen lediglich gestatten in Ruhe miteinander zu handeln – dann wären ihren Interessen gedient ganz ohne Geheimwaffen! Nur die Menschen selbst kennen ihre Ziele sowie ihre verfügbaren Mittel!