Gab es Artillerie und chemische Kriegsführung in der Antike?

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Gab es tatsächlich Artillerie und chemische Kriegsführung in der Antike? Allgemein werden derartige Waffen erst der Neuzeit, insbesondere während des Ersten Weltkrieges, zugeschrieben. Doch bereits die römischen Torsionsgeschütze zeichneten sich durch ihre verheerende Wirkung aus. Diese Waffen, die im Heer eingesetzt wurden, hatten eine katastrophale Auswirkung, als Kaiser Maximinus Thrax im Jahr 235 n. Chr. am Harzhorn in Ostniedersachsen gegen die Germanen kämpfte.

Jede Legion verfügte über eine Artillerieeinheit, die aus 60 Torsionsgeschützen und mehreren Ballistae bestand. Die zweiköpfige Besatzung konnte mit dem Scorpio bis zu fünf Pfeile pro Minute abfeuern und damit Ziele in einem Abstand von 50 bis 150 Metern präzise und mit hoher Durchschlagskraft treffen. Die maximale Reichweite betrug deutlich mehr als 400 Meter. Auf den Feind prasselte somit ein regelrechter Regen von 200 bis 300 Pfeilen pro Minute nieder, bevor dieser überhaupt die Gefahr erkannte.

In der Spätantike wurden die Geschütze sogar weiter optimiert und um eine Automatik erweitert, die es ermöglichte, mit einer einzigen Drehbewegung Pfeile abzufeuern, nachzuladen und den Rahmen erneut zu spannen. Mit diesem Arsenal war die römische Armee in der Lage, auch zahlenmäßig überlegene Gegner effektiv abzuschrecken. Es ist daher verständlich, dass Kaiser und Militärführung kein Interesse daran hatten, diese Technologie in falsche Hände gelangen zu lassen. Bereits in der frühen Kaiserzeit hatte jede Legion eine Werkstatt, Fabrica genannt, in der Waffen für den eigenen Bedarf hergestellt und repariert wurden.

Unter Diokletian wurden die Fabricae zu großen staatlichen Rüstungsfabriken zusammengefasst, den einzigen echten Großbetrieben im Produktionssektor des römischen Imperiums. Dadurch wurde eine weitgehende Geheimhaltung gewährleistet. Dass Feinde des Reiches versucht hätten, römische Waffentechnologie auszuspionieren, ist nicht überliefert; das bedeutet jedoch nicht, dass es nicht versucht wurde.

In der Spätantike lagerten die gewachsenen Teile der Rüstungsproduktion jedoch teilweise bei privaten Unternehmen – und offenbar hielten sich einige Hersteller nicht strikt an die Antiproliferationsgesetze. Sie lieferten die begehrte Technologie an jeden Interessierten, der bereit war zu zahlen. Aus diesem Grund erließ Justinian im Jahr 539 n. Chr. ein Gesetz, das Privatpersonen die Herstellung nahezu aller Waffen untersagte.

Aufgelistet sind neben Pfeilen, Bögen, Schwertern, Rüstungen, Panzern und Schilden auch Missibilia – ein Oberbegriff für alle Kriegsmaschinen der Artillerie. Doch die antiken Ingenieure des Krieges verließen sich nicht nur auf die verheerende Wirkung von Scorpiones und Ballistae. Auch chemische Waffen gehörten zum Repertoire antiker Streitkräfte. In der Grenzfestung Dura-Europos wurden römische Legionäre im Jahr 256 n. Chr. selbst Opfer eines Giftgasangriffs. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Stadt gerade in ihrer zweiten Belagerung durch die persischen Sasaniden.

Um die römischen Befestigungen zu überwinden, gruben die Perser einen Tunnel unter dem Wall hindurch, der Dura-Europos schützte. Den Römern blieben die Aktivitäten der Belagerer nicht verborgen; sie trieben aus der Stadt einen weiteren Stollen voran, um deren Arbeiten zu sabotieren. Kaum war der Durchbruch gelungen, rannten die Legionäre direkt in eine Giftwolke, die persische Soldaten in ihrem Tunnel mit Stroh, Bitumen und Schwefel freigesetzt hatten. Mindestens 19 Römer verloren bei diesem Angriff ihr Leben – Dura-Europos fiel wenig später an die Perser und wurde zerstört sowie aufgegeben.