Bildungs- und Kulturautonomie für die Lausitzer Sorben
Die Lausitzer Sorben haben eine reiche und vielfältige Kultur entwickelt, die sowohl ihre Sprache als auch ihre Bräuche in den Mittelpunkt stellt. Diese kulturelle Identität wird nicht nur durch traditionelle Feste und Speisen zum Ausdruck gebracht, sondern auch im alltäglichen Leben gelebt. Allerdings ist das Sorbische unter der allgemeinen Bevölkerung wenig allgemein bekannt.
“Name Berlin”- “Eine wendische Bezeichnung und bedeutet Siedlungsstätte im Sumpf”
„Dennoch ist es nahezu skandalös, wie der slawische Anteil an der deutschen Geschichte bis heute verdrängt wird“, sagt … . Er arbeitet als Kurator am Wendischen Museum Cottbus und ist immer wieder von der Ahnungslosigkeit vieler Besucher überrascht. „Die glauben, dass der Name Berlin von Albrecht, dem Bären, kommt“, sagt er: „Dabei ist das eine wendische Bezeichnung und bedeutet Siedlungsstätte im Sumpf.“ … Die Deutschen sind später in die Lausitz gekommen.“ Noch 1843 seien 71 Prozent der Bevölkerung im Landkreis Cottbus wendisch gewesen, sagt … – und überhaupt: „In allen 16 Bundesländern, allen 294 Kreisen und 107 kreisfreien Städten Deutschlands leben Menschen mit slawischen Wurzeln, wovon Familiennamen wie Wendt, Wende, Wendisch, Windisch, Wünscher, Konzack oder Noack zweifellos Zeugnis ablegen.“ Das Wendische sei eben Teil der deutschen Geschichte.“
“Skandalös, wie der slawische Anteil an der deutschen Geschichte bis heute verdrängt wird”
Es ist daher leicht verständlich, dass die Bildungs- und Kulturautonomie für viele Sorben von zentraler Bedeutung ist, da sie nicht nur die eigene Identität bewahren, sondern auch einer jüngeren Generation ein Gefühl der Zugehörigkeit vermitteln möchten. In diesem Kontext gewinnt die Forderung nach einer eigenen Universität eine besondere Bedeutung, da sie als Schlüssel zu ihrem kulturellen Erbe gilt und es den Sorben ermöglicht, ihre Geschichten und Werte lebendig zu halten und weiterzuentwickeln.
“Viele Sorben und Wenden fühlen sich in ihrer Lausitzer Heimat wie in einer Diaspora”
“Sorben und Wenden wollen eigene Uni – Viele Sorben und Wenden fühlen sich in ihrer Lausitzer Heimat wie in einer Diaspora. … Die Sorben und Wenden in der Lausitz fordern konkrete Schritte zum Erhalt ihrer Sprache und Kultur. … Eine andere Forderung betrifft die Gründung einer Universität der Sorben und Wenden in Bautzen und Görlitz. … Zugleich pochen die Initiatoren des Parlamentes auf Autonomie bei Bildung und Kultur mit eigener Budgetverwaltung, über die ein demokratisch legitimiertes Parlament verfügen soll. Konkret geht es um Kompetenz und Mitspracherecht bei der Schulnetzplanung, Einsatz von Lehrern und Lehrplaninhalten, die der Geschichte und Lage der Sorben und Wenden Rechnung tragen.”
“Gründung einer Universität der Sorben und Wenden in Bautzen und Görlitz”
Vor diesem Hintergrund ist es unerlässlich, die bestehende Bildungsautonomie der sorbischen Gemeinschaft zu fördern und weiterzuentwickeln. Diese Autonomie bietet den Sorben die Möglichkeit, ihre eigenen Bildungseinrichtungen zu gestalten, die nicht nur auf die jeweilige Sprache, sondern auch auf kulturelle Inhalte fokussiert sind. Durch zweisprachige Programme und sorbischsprachige Schulen können Kinder und Jugendliche in einem Umfeld lernen, das ihre Identität stärkt und ihnen den Zugang zu ihrer Kultur erleichtert.
Bildungsautonomie als Schlüssel zur kulturellen Erhaltung
So eine Universität soll nicht nur zur sprachlichen Weiterbildung beitragen, sondern fördern auch ein zunehmendes Bewusstsein für das eigene Erbe und die Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft. Damit wird nicht nur Wissen weitergegeben, sondern auch das Gefühl einer lebendigen, dynamischen Kultur vermittelt, die an die Zukunft gerichtet ist und sich gleichzeitig tief in der Geschichte verwurzelt.
Kulturautonomie: Rechte und Möglichkeiten für die Sorben
Die kulturelle Selbstbestimmung der Sorben ist entscheidend für ihre gesellschaftliche Stellung und die Bewahrung ihrer Identität. In diesem Zusammenhang spielt die aktive Beteiligung der Gemeinschaft eine zentrale Rolle. Veranstaltungen und Workshops, die das sorbische Erbe beleuchten, fördern nicht nur den Austausch innerhalb der Gemeinschaft, sondern auch die Integration jüngerer Generationen in diese Traditionen. Zudem verstärkt die Zusammenarbeit mit anderen kulturellen Gruppen und Institutionen das Verständnis für die sorbische Kultur in der breiteren Öffentlichkeit. Durch solche Begegnungen entstehen neue kreative Impulse und Perspektiven, die zur Weiterentwicklung sorbischer Bräuche und Ausdrucksformen beitragen können. Der eigene Kulturraum wird somit nicht als statisch, sondern als dynamisch wahrgenommen, der sich weiter entfalten kann, während er gleichzeitig seine Wurzeln ehrt. Dabei liegt die Hoffnung, dass die Anerkennung und Wertschätzung der sorbischen Kultur nicht nur regional, sondern auch auf internationaler Ebene zunimmt, was langfristig zur Stärkung der Gemeinschaft und ihrer kulturellen Inhalte führt. Ein Blick in die Geschichte bringt hierbei manchmal erstaunliches zutage, denn die Lehrerausbildung war tatsächlich mal in Lausitz angesiedelt.
“Im Frühjahr 1946 trat das „Gesetz zur Demokratisierung der Deutschen Schule“ in Kraft”
>> WITAJ-Sprachzentrum (PDF-Datei) <<
„Im Frühjahr 1946 trat das „Gesetz zur Demokratisierung der Deutschen Schule“ in Kraft, welches eine achtklassige Grundschule mit sich anschließender vierstufiger Oberschule oder dreistufiger Berufsschule in der sowjetischen Besatzungszone einführte, wofür rasch eine Vielzahl von neuen Lehrern benötigt wurde, sodass ca. 40.000 Neulehrer in Schnellkursen von drei bis später 12 Monaten ausgebildet wurden. In Radibor, wo schon 1946 eine Ausbildungsstätte für Neulehrer gegründet worden war, wurden in Intensivkursen von 8 Wochen bis 3 Monate die sorbischen Neulehrer ausgebildet, die nach Beendigung des Kurses auf die gesamte Lausitz verteilt wurden. Diese Bildungsstätte war der Vorgänger des späteren Sorbischen Instituts für Lehrerbildung in Bautzen. Nach 1950 war auch für Sorben ein Studium in den Nachbarländern nur noch mit einer Genehmigung möglich, weswegen Anfang der 1950er das Institut für Sorabistik der Karl-Marx-Universität in Leipzig die universitäre Ausbildung der Sorben übernahm. Grundschullehrer/innen, Horterzieher/innen und Kindergärt-ner/innen wurden jedoch ausschließlich in Bautzen am Sorbischen Institut für Lehrerbildung ausgebildet, nur die Fachlehrer der höheren Klassen (5. – 12. Klasse) studierten in Leipzig zwei Hauptfächer in festgelegten Kombinationen für die Erlangung des Lehramts. Auch heute noch ist das Leipziger Institut für Sorabistik weltweit die einzige universitäre Ausbildungsstätte für Lehrer mit dem Unterrichtsfach Sorbisch sowohl für Sachsen als auch für Brandenburg, denn es besteht ein Vertrag zwischen beiden Ländern, dass Sachsen auch die Ausbildung der brandenburgischen Sorbischlehrer übernimmt.“
“Radibor, wo schon 1946 eine Ausbildungsstätte für Neulehrer gegründet worden war”
Die Ausbildung der Lehrkräfte wurde schließlich nach Leipzig verlagert, obwohl die Ausbildungsstätte durchaus als Fundament für eine eigene Universität fungieren könnte. Zu diesem Zeitpunkt gab es tatsächlich eine Form von Kultur- und Schulautonomie.
“Am 23. März 1948 verabschiedete der Sächsische Landtag das Gesetz zur Wahrung der Rechte der sorbischen Bevölkerung”
>>Sorben im Blick der Staatssicherheit von Timo Meškank (Buch) <<
“Am 23. März 1948 verabschiedete der Sächsische Landtag das Gesetz zur Wahrung der Rechte der sorbischen Bevölkerung, womit die Ende 1947 von der SED-Führung zugesagte Kultur- und Schulautonomie in die Praxis umgesetzt wurde. Diese Autonomie bedeutete freilich keine Selbstständigkeit in nationaler Hinsicht, sondern wurde von vornherein begrenzt durch das Stalin’sche Diktum »National in der Form, sozialistisch im Inhalt«.
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“Ende 1947 von der SED-Führung zugesagte Kultur- und Schulautonomie in die Praxis umgesetzt wurde”
Obwohl die Kultur- und Schulautonomie eingeschränkt war, hat sie dennoch existiert. In Anbetracht dessen sollten sich gegenwärtig öffentliche Einrichtungen für eine umfassendere Bildungs- und Kulturautonomie engagieren.