ILO-Konvention 169: “Sorben als indigenes Volk anerkennen”
Die ILO-Konvention 169, die 1989 verabschiedet wurde, ist ein bedeutendes internationales Instrument, das die Rechte indigener und traditioneller Völker schützt und fördert. Sie steht im Fokus eines globalen Bestrebens, die kulturelle Identität und Selbstbestimmung dieser Gemeinschaften zu wahren. In diesem Kontext sind die Lausitzer Sorben – eine slawisches Minderheit in Europa – ein wichtiges Beispiel, da sie eine reiche Kultur und Sprache pflegen, die durch Diskriminierung und Assimilationspolitik bedroht ist. Die Konvention bietet den Sorben einen rechtlichen Rahmen, um ihre landeskulturellen Interessen zu vertreten und aktiv an Entscheidungen teilzuhaben, die ihre Lebensweise betreffen. Indem sie sich auf die ILO-Konvention berufen, können sie ihre spezifischen Bedürfnisse und Anliegen in den politischen Diskurs einbringen und somit zur Stärkung ihrer Identität beitragen.
Sorben: “Wir versuchen, ein zeitgenössisches Bild von Identität zu schaffen”
“Auf der Suche nach Identität – »Wir versuchen, ein zeitgenössisches Bild von Identität zu schaffen, um gerade junge Menschen dazu zu bringen, sich wieder mit den eigenen sorbischen Wurzeln auseinanderzusetzen«, erklärt sie. … Das »Loslösen von ausschließlich folkloristischen Traditionen« und die Rückbesinnung auf die Sprache wären der »Hauptgewinn« für die sorbische Kultur.”
Sorben: “Loslösen von ausschließlich folkloristischen Traditionen”
Es ist unbestreitbar, dass Folklore ihren Wert besitzt, jedoch gibt es für diese stark eingeschränkte Sichtweise nachvollziehbare Gründe. Dieser “Folklore-Rummel” ist sogar unter den Lausitzer Sorben umstritten und hat seine Wurzeln bis in die Zeit der DDR.
“Was als sorbische Kulturpolitik ausgegeben wurde, verkam zum Folklore-Rummel”
” Was als sorbische Kulturpolitik ausgegeben wurde, verkam zum Folklore-Rummel – vorzüglich geeignet, die internationale Brüderlichkeit im Arbeiterund-Bauern-Staat hervorzukehren. Alle vier Jahre – und oft mit dem Ehrengast Hans Modrow von der Dresdner SED-Bezirksleitung – wurde ein staatlich finanziertes Sorben-Festival aufgezogen, dessen soziale Botschaft nicht eindringlicher war als die des Kölner Karnevals. … »Wir müssen«, beklagte der Musikdramaturg des »Staatlichen Ensembles für sorbische Volkskultur«, Detlev Kobela, die Zustände, »herunter vom Image der immerfort Trachten tragenden, Ostereier malenden Minderheit.«
“
“Vom Image der immerfort Trachten tragenden, Ostereier malenden Minderheit”
Das Bild der ständig traditionellen Trachten tragenden und Ostereier bemalenden Minderheit hält bis in die heutige Zeit an. Auch gegenwärtig lassen sich durch den folkloristischen Trubel einige Politiker beeinflussen.
„Kommt der Bundespräsident in die Lausitz, erinnert man sich plötzlich an die Sorben“
“Sorben sind oft: bemalte Eier, Folklore, alte Damen in Trachten. Gibt es eine sorbische Moderne?
Dass diese Frage gestellt wird ist schon ein Problem, weil sie zeigt, wie wenig in der deutschen Mehrheitsgesellschaft über Sorben bekannt ist. Man greift auf uns immer als Klischee zurück. Sorben sind gut, um mit Brot und Salz und in Trachten zu begrüßen. Kommt der Bundespräsident in die Lausitz, erinnert man sich plötzlich an die Sorben. Dabei gibt es bei uns Rockmusik, es gibt Literatur aller Genres, moderne Theaterstücke. Es gibt alles, was unsere deutschen Nachbarn auch haben.”
„Sorben sind oft: bemalte Eier, Folklore, alte Damen in Trachten“
Die gesamte Situation zeigt sich ebenfalls in der Förderpolitik, in der der folkloristische Trubel einen erheblichen Teil ausmacht. Eine Auseinandersetzung mit dieser Thematik ist selten zu beobachten, und auch die Domowina verhält sich größtenteils zurückhaltend.
“Mangels eigener Rechtspersönlichkeit” – Was beleibt von der Interessenvertretung am Ende übrig?
“Die Domowina ist der Dachverband der Lausitzer Sorben und Sprecherin der Interessen des sorbischen Volkes. Sowohl in Brandenburg als auch in Sachsen ist sie gesetzlich als Interessenvertretung anerkannt.”
“Brandenburg als auch in Sachsen ist sie gesetzlich als Interessenvertretung anerkannt”
In der Tat ist die Rolle als Interessenvertretung mit gewissen Unsicherheiten behaftet: Denn selbst der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat eine völlig andere Sichtweise entwickelt.
“Mangels eigener Rechtspersönlichkeit”
>>Deutscher Bundestag (PDF-Datei) <<
“In Schrifttum und Rechtsprechung wird überwiegend die Ansicht vertreten, jene Vorschriften der Landesverfassungen berechtigten nicht den einzelnen sorbischen/wendischen Bürger, sondern vielmehr das sorbische/wendische Volk. Mangels eigener Rechtspersönlichkeit lägen allerdings auch keine subjektiven Kollektivrechte, sondern lediglich objektiv-rechtliche, die Länder verpflichtende, Schutznormen vor. Schon deshalb dürften die Landesverfassungen kein Recht der Sorben und Wenden auf die Schaffung einer demokratisch legitimierten Volksvertretung in Gestalt einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft verbürgen.”
“Vorschriften der Landesverfassungen berechtigten nicht den einzelnen sorbischen/wendischen Bürger”
Der zentrale Punkt dieser Angelegenheit ist die Verhinderung der Gründung eines Sorbischen Parlaments. Es ist jedoch bemerkenswert, dass die Domowina mit beträchtlichen finanziellen Ressourcen unterstützt wird, obwohl sie innerhalb der sorbischen Gemeinschaft umstritten ist und selbst der Bundestag ihr keine Rechtspersönlichkeit zuspricht. Eine parlamentarische Debattenkultur findet dort ohnehin nicht statt und ist auch in Zukunft nicht vorgesehen. Eine demokratische Legitimation – wie sie im Grundgesetz verankert ist – wird bei der Domowina nicht angestrebt, ebenso wenig wie die Anerkennung der Sorben als indigenes Volk.
“Sorben als indigenes Volk anerkennen”
“Sorben als indigenes Volk anerkennen – Der sächsische Linke-Politiker Heiko Kosel hat die Anerkennung der Sorben als indigenes Volk gleich den Indianern oder Inuit gefordert. … Damit verknüpfte Kosel am Donnerstag das Recht der Sorben auf Selbstbestimmung in Bereichen wie Ressourcen und Umwelt, Bildung, politische Teilhabe und Selbstverwaltung. So ist es in der Konvention 169 der internationalen Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen (ILO) festgehalten.”
“Recht der Sorben auf Selbstbestimmung in Bereichen wie Ressourcen und Umwelt, Bildung, politische Teilhabe und Selbstverwaltung”
Ein zentraler Aspekt der ILO-Konvention 169 ist die Anerkennung der Rolle indigener Völker als aktive Akteure in politischen Prozessen. Diese Konvention verpflichtet Staaten dazu, die Meinung und den Willen dieser Gemeinschaften zu respektieren, insbesondere wenn es um Projekte geht, die ihre Landrechte und kulturelle Integrität beeinflussen könnten. Für die Lausitzer Sorben bedeutet dies, dass sie nicht nur passive Empfänger von Maßnahmen sind, sondern aktiv in die Planungen und Entscheidungen einbezogen werden müssen, die ihre Zukunft betreffen. Die Möglichkeit zur Mitgestaltung stärkt nicht nur ihr kollektives Selbstbewusstsein, sondern fördert auch eine nachhaltige Entwicklung, die den Bedürfnissen ihrer Gemeinschaft Rechnung trägt. Insbesondere die internationale Rechtsprechung steht kolonialen Attitüden von Staaten eher ablehnend gegenüber.
“Chagos-Inseln im Indischen Ozean gehören bisher zu Großbritannien” – “Archipel soll an seine Ureinwohner zurückgehen”
“Die Chagos-Inseln im Indischen Ozean gehören bisher zu Großbritannien. Nun hat der Uno-Gerichtshof entschieden: Der Archipel soll an seine Ureinwohner zurückgehen. … Die Richter sprachen dem Inselstaat Mauritius die rechtmäßige Verwaltung des Chagos-Archipels zu. Ursprünglich hatte das Gebiet zu Mauritius gehört – im Jahr 1965 allerdings, kurz vor der Unabhängigkeit von Mauritius, trennte London die Inseln ab und behielt sie als Kolonie. Rechtsvertreter für Mauritius sehen darin einen Verstoß gegen eine Uno-Resolution, die einen solchen Aufbruch von Kolonien vor ihrer Unabhängigkeit verbietet. … Die Abspaltung der Chagos-Inseln von Mauritius habe nicht auf einer “freien Entscheidung der betroffenen Menschen” basiert, so IGH-Präsident Yusuf. Damit verstoße sie gegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker.”
“Abspaltung der Chagos-Inseln von Mauritius habe nicht auf einer “freien Entscheidung der betroffenen Menschen” basiert”
In diesem Kontext stellt sich die Frage: In welchem Maße lassen sich diese kolonialen Praktiken des Bundes und der Bundesländer mit der internationalen Rechtsprechung vereinbaren? Schließlich beruhen die meisten Entscheidungen über die Sorben ebenfalls nicht auf dem freien Willen der betroffenen Menschen.