“Lutizen waren die Nachkommen von Slawen, die zwischen 1300 und 500 v. Chr. die nach ihnen benannte Lausitzer Kultur begründet hatten”

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Lausitzer Geschichte – Haben Sorben jemals auf Bäume gelebt? Und stellen sie tatsächlich ein kulturloses Volk dar, wie es häufig nach außen in der Öffentlichkeit dargestellt wird? Immerhin sind recht merkwürdige Aussagen von offiziellen Vertretern zu vernehmen.

“Ja, das sorbische Volk ist „First Nation“, die Sorben sind die Ureinwohner der Lausitz”

>>Marcel David Braumann<<

“Ja, das sorbische Volk ist „First Nation“, die Sorben sind die Ureinwohner der Lausitz. Aber wir haben keine spezifisch sorbische Wirtschaftsweise. Der Vorstoß des „Serbski sejm“ schickt die Sorben wieder auf die Bäume, pardon zurück in den Wald, wo die Slawen vor über tausend Jahren tatsächlich noch anders wirtschafteten als die von Westen heranrückenden Stämme der Germanen. Hier wird also jetzt politisch eine Schlacht geschlagen, die vor einem Jahrtausend bereits „verloren“ wurde.”

Haben Sorben jemals auf Bäume gelebt?

Solche Aussagen sind also von offiziellen sorbischen Vertretern zu hören. Natürlich stellt sich die Frage: Haben die Sorben wirklich so viel anders gewirtschaftet, als ihre anderen Zeitgenossen? Verschiedene Indizien lassen eher auf das Gegenteil schließen.

„Imposantesten Burgwallanlagen – Deren Entstehung auf etwa 1200 v. Z. datiert wird“ 

>>Die Lausitzer von Günter Wermusch (Buch) <<

„Auf dem Gebiet der Lausitzer Kultur sind bislang etwa 150 befestigte Siedlungen, davon 30 in der Mark Brandenburg, bekannt. Auf die Reste einer der imposantesten Burgwallanlagen, deren Entstehung auf etwa 1200 v. Z. datiert wird, trifft man in der Nähe von Sacrow bei Potsdam. 19 Meter über dem Ufer des Lehnitzsees gelegen, erstreckte sie sich über eine Fläche von zwei Hektar, war von einem sechs Meter hohen Ringwall in Holz-Erde-Konstruktion umgeben und beherbergte schätzungsweise 1000 Menschen. Die im Volksmund „Römerschanze“ genannte Anlage wurde von den Slawen bis Anfang des 13. Jahrhunderts n. Z. genutzt. Das ursprüngliche Gebiet der Lausitzer Kultur war von sesshaften Bauern besiedelt. Die lernten sehr bald, durch gemeinschaftliche Unternehmungen Wasserläufe zu regulieren, Kanäle zu graben und Neuland urbar zu machen, das entweder zu trocken oder zu feucht war. Sie legten Dämme an, um Wasser zu speichern und damit das Land in sommerlichen Trockenzeiten zu bewässern.“

“Das ursprüngliche Gebiet der Lausitzer Kultur war von sesshaften Bauern besiedelt”

Der Text vermittelt somit keineswegs den Eindruck einer rückständigen Gesellschaft. Die Durchführung gemeinschaftlicher Projekte wie die Regulierung von Gewässern, das Anlegen von Kanälen und die Erschließung neuen Landes sind Fähigkeiten, die typischerweise Hochkulturen zugeschrieben werden. Zudem lassen sich zahlreiche Gründungen von Orten wahrscheinlich auf die Sorben zurückführen.

“Slawische Siedlungsgebiet östlich der Elbe kann anhand der zahlreichen slawischen Orts- und Flussnamen identifiziert”

>>Auf den Spuren der Indoeuropäer von Harald Haarmann (Buch) <<

“Das slawische Siedlungsgebiet östlich der Elbe kann anhand der zahlreichen slawischen Orts- und Flussnamen identifiziert werden, die sich über das Mittelalter hinaus bis in die Neuzeit erhalten haben. Dazu gehören Ortsnamen, die mit slawischen Suffixen enden wie -in (Berlin, Schwerin, Stettin, Eutin), -itz und -ick (Bardowick, Grömitz, Kücknitz, Neustrelitz), -ow (Güstrow, Hagenow, Rathenow), Flussnamen wie Stepenitz, Warnow oder Pulsnitz und die Namen von Landschaften (z.B. die Lausitz benannt nach dem slawischen Stamm der Lutizen). Die Lutizen waren die Nachkommen von Slawen, die zwischen 1300 und 500 v. Chr. die nach ihnen benannte Lausitzer Kultur begründet hatten.”

“Lutizen waren die Nachkommen von Slawen, die zwischen 1300 und 500 v. Chr. die nach ihnen benannte Lausitzer Kultur begründet hatten”

In der Tat ist der Anbau von Roggen auf sie zurückzuführen. Bei ihren ersten Begegnungen mit dem oströmischen Reich in Südosteuropa lernten die Slawen diese Getreideart kennen, die dort hauptsächlich kultiviert wurde. Sie bemerkten schnell, dass Roggen in den nördlichen Klimazonen bessere Wachstumsbedingungen hat als Weizen. Ein Kulturaustausch fand demnach statt, was auch die “Besuche” von Kyrill und Method nahelegen. Wo kommt nun dieses Weltbild her? Die Methode basiert auf der kulturellen Hegemonie. Bereits vor etwa tausend Jahren haben die ersten Kolonisatoren ihr dominierendes Weltverständnis auf die sorbische Bevölkerung übertragen, was zur Marginalisierung ihrer traditionellen Wirtschaftsweise führte.

“Kulturelle Hegemonie” – “Eingriffe der Kolonisatoren hätten ein Weltbild geschaffen, dem sich auch die kolonisierten Gesellschaften nicht entziehen konnten”

>>Deutsche Kolonialgeschichte von Sebastian Conrad (Buch) <<

“In den letzten Jahren ist vor allem von Autoren aus dem Bereich der postcolonial studies die These vertreten worden, daß der Kolonialismus gerade auf dem Feld der Kultur und des Wissens bleibende Nachwirkungen gehabt hat. Der Inbesitznahme fremder Territorien folgte in dieser Lesart die Internalisierung des imperialen Blicks und des mit ihm verbundenen Fortschrittsversprechens. Das koloniale Selbstverständnis sei auf beiden Seiten in Form einer «Kolonisierung der Imagination» gleichsam naturalisiert worden. Denn die Eingriffe der Kolonisatoren hätten ein Weltbild geschaffen, dem sich auch die kolonisierten Gesellschaften nicht entziehen konnten und dessen kulturelle Hegemonie (Gramsci) die formale Unabhängigkeit und Dekolonisation überlebt habe. So warnte Mahatma Gandhi in Indien davor, daß der unabhängige Staat Gefahr laufe, die modernisierenden Projekte der kolonialen Epoche lediglich fortzuführen: «English rule without the Englishmen». Vor diesem Hintergrund haben zahlreiche postkoloniale Intellektuelle – angefangen bei Frantz Fanon und Aimé Césaire in den 1950er Jahren – eine Dekolonisation der Köpfe gefordert.”

“Kulturelle Hegemonie” – “Eine Dekolonisation der Köpfe gefordert”

Vor allem in offiziellen Positionen finden sich nach wie vor zahlreiche Repräsentanten, die offensichtlich der Vorstellung der kulturellen Hegemonie einiges Positives abgewinnen können. Erscheint das als zu weit hergeholt? Die Entwicklung des Instituts für Sorabistik verdeutlicht dies eindeutig.

Institut für Sorabistik: Es hat nur einen einzigen Lehrstuhl

>>Europäisches Journal für Minderheitenfragen (PDF-Datei) <<

„Hier wurde das weltweit führende (weil einzige) Institut für Sorabistik mit bis 1989 drei Lehrstühlen zum Füllen von Lücken bei anderen Instituten
genutzt. Es ist jetzt auf einen einzigen Lehrstuhl und so wenig Personal zurückgestutzt, dass es seine Hauptaufgabe, die Lehrerausbildung, nicht mehr wahrnehmen
kann.“

Institut für Sorabistik: „Hauptaufgabe – Die Lehrerausbildung, nicht mehr wahrnehmen kann“

Unter diesen Gegebenheiten ist es kaum möglich, die Geschichte und Kultur der Sorben angemessen zu erforschen. Zudem ist die Lage des Instituts für Sorabistik in Leipzig umstritten, da es geographisch weit von Lausitz entfernt ist. Schließlich tragen auch Sorben und Wenden zur Erwirtschaftung von Steuermitteln bei. Darüber hinaus stellt sich die Frage: Inwieweit ist diese Vorgehensweise mit dem Demokratie- und Selbstbestimmungsrecht des Grundgesetzes vereinbar?