Indien: Bei „Zwangsbekehrung“ droht lebenslange Haft

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Kirchenleiter reagieren besorgt auf verschärftes Anti-Bekehrungs-Gesetz in Uttar Pradesh

Die Landesregierung des nordindischen Bundesstaats Uttar Pradesh hat am 30. Juli sein bestehendes „Anti-Bekehrungs-Gesetz“ erweitert und verschärft. Dabei wurde unter anderem das Strafmaß für diejenigen verschärft, die der Zwangsbekehrung einer anderen Person für schuldig befunden werden. Kirchenleiter warnen vor den Folgen sowohl für Pastoren als auch für Konvertiten zum christlichen Glauben.

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Von Open Doors

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Anklagen erleichtert, Strafen verschärft

Das geänderte „Gesetz über das Verbot rechtswidriger Änderung der Religion“ in Uttar Pradesh wurde am 30. Juli verabschiedet. Es wird in Kraft treten, sobald der Gouverneur es unterzeichnet hat. Als strafrechtlich relevante „Zwangsbekehrungen“ gelten solche, die durch Gewalt, unzulässige Beeinflussung oder Nötigung zustande gekommen sind, aber auch solche aufgrund von Heirat oder betrügerischen Mitteln.

In der ursprünglichen Fassung des Gesetzes aus dem Jahr 2021 konnte nur der Betroffene oder ein Blutsverwandter gegen eine solche „Zwangsbekehrung“ Klage einreichen. Die jetzt verabschiedete Version des Gesetzes ermöglicht es jedoch jedem, bei der Polizei eine Anzeige zu erstatten. Wer verhaftet und wegen Verstoßes gegen die neue Verordnung angeklagt wird, kommt ins Gefängnis und hat dann keine Möglichkeit mehr, auf Kaution freizukommen. Außerdem wurde die Höchststrafe von 10 Jahren Gefängnis auf lebenslängliche Haft erhöht.

Laut Abhay Kumar*, einem lokalen Partner von Open Doors, sind Kirchenleiter in Uttar Pradesh wegen der Gesetzesverschärfung in großer Sorge: „Sie prognostizieren, dass die Änderungen die Verfolgung der christlichen Gemeinschaft beschleunigen und intensivieren werden“, berichtet Kumar. „Christliche Konvertiten werden die Auswirkungen unmittelbar zu spüren bekommen, da sie noch stärker ins Visier geraten werden; Hauskirchen und ihre Pastoren werden als ‚unpatriotisch‘ betrachtet“, sagt er – angesichts des verbreiteten Hindu-Nationalismus eine schwerwiegende Anschuldigung.

Indischer Kirchenrat: Gesetz widerspricht der Verfassung

Uttar Pradesh ist der größte und bevölkerungsreichste Bundesstaat Indiens. 2021 verabschiedete die Landesregierung erstmals ein Anti-Bekehrungs-Gesetz. Derartige Gesetze wurden bereits in insgesamt 12 indischen Bundesstaaten eingeführt, wo sie von hindu-nationalistischen Gruppen benutzt werden, um gegen religiöse Minderheiten wie Christen und Muslime vorzugehen. Bislang wurden jedoch nur wenige Personen aufgrund dieser Gesetze verurteilt.

Der „Nationale Kirchenrat in Indien“, dem zahlreiche protestantische und orthodoxe Kirchen angehören, hat die neuen Vorschriften in einer öffentlichen Erklärung verurteilt. Nach Einschätzung des Rates verstoßen die Bestimmungen gegen die indische Verfassung. „Die Konversion an sich ist keine Straftat, es sei denn, sie wurde durch unzulässige Beeinflussung, Täuschung oder Nötigung herbeigeführt, was nur das Opfer geltend machen kann“, heißt es in der Erklärung, die von der katholischen Nachrichtenseite „Crux“ zitiert wird. Und weiter: „Das Anti-Bekehrungs-Gesetz greift in das verfassungsmäßige Recht auf freie Religionsausübung und freies Religionsbekenntnis ein, ein grundlegendes Menschenrecht, das sowohl von der indischen Verfassung als auch von internationalen Menschenrechtsstandards anerkannt wird.“

Derweil befassen sich auch die Gerichte mit dem Thema. Im vergangenen Monat hatte der Oberste Gerichtshof von Uttar Pradesh „religiöse Konversion“ als generell verfassungswidrig eingestuft. Als Begründung nannten die Richter die Gefahr, dass die derzeitige (hinduistische) Bevölkerungsmehrheit andernfalls zu einer Minderheit werden könne. Demgegenüber beschäftigt sich der Oberste Gerichtshof Indiens derzeit mit der Frage, ob die Anti-Bekehrungs-Gesetze überhaupt mit der indischen Verfassung vereinbar sind.

Auf dem Weltverfolgungsindex 2024 steht Indien an 11. Stelle unter den Ländern, in denen Christen am stärksten wegen ihres Glaubens verfolgt werden.