“Sie sind keine Partei der Nichtwähler, sondern eine Zwischen-Partei” – Leere Stühle im Parlament? – “Nichtwähler wählen auch”
Wählen oder nicht wählen? Die Debatte um die Stimme der Nichtwähler. Die Gründe für das Nichtwählen und die Stimme der Nichtwähler
Die Gründe für das Nichtwählen sind vielfältig und reichen von politischer Frustration über Desinteresse bis hin zur Ablehnung des politischen Systems. Viele Nichtwähler fühlen sich von den etablierten Parteien nicht vertreten und sehen keine wirkliche Veränderungsmöglichkeit durch ihre Stimme. Dabei wird oft die Frage aufgeworfen, ob Nichtwähler überhaupt eine Stimme haben und ob ihre Meinung in politischen Entscheidungen berücksichtigt wird.
Leere Stühle im Parlament? – “Nichtwähler wählen auch”
>>Nachts im Kanzleramt von Marietta Slomka (Buch) <<
“Nichtwähler wählen auch. Wer gar keine Stimme abgibt, trägt eventuell dazu bei, dass dann die an die Macht kommen, die man am allerwenigsten wollte. Dann bitte nicht meckern! Wenn Millionen denken, dass es auf sie nicht ankommt, kann das auch dazu führen, dass radikale Parteien einen höheren Stimmenanteil bekommen.”
Nichtwähler haben durch Enthaltung gewählt
Einige argumentieren, dass Nichtwähler dazu beitragen, dass extremistische Parteien an Einfluss gewinnen, da das demokratische System geschwächt wird. Wobei es sich um eine sehr eingeschränkte Sichtweise handelt. Schließlich haben Nichtwähler durch Enthaltung gewählt. Das ihre Stimme nach der Wahl auf andere Parteien mathematisch einfach aufgeschlagen wird, daran ist hauptsächlich das Wahlrecht schuld. Streng genommen werden Mandate in Anspruch genommen, wofür es keine Wählerstimmen gab. In einer anderen Konstellation würde man diese Vorgehensweise als Wahlfälschung bewerten. Das einfache Wahlrecht ließe sich dahingehend problemlos ändern. Kurzum: Die Stühle im Parlament blieben einfach leer. Die viel-diskutierte Verkleinerung des Parlaments wäre damit ebenfalls vom Tisch.
Per Federstrich – Die Änderung des einfachen Wahlrechts für Nichtwähler: Stühle im Parlament bleiben leer
>>Die unmögliche Demokratie von Birger Priddat (Buch) <<
“Wenn die Zahl der Wähler sinkt – ein Zeichen des Exodus aus der Politik –, bekommen die verbleibenden Wähler de facto mehr Macht, in der Wahl von Parteien und Politikern ihre Präferenzen durchzusetzen. … Aber auch die von weniger Wählern gewählten Parteien und Politiker sind legitim. Wenn der Trend anhält, wählt eine Gruppe aktiver Bürger die Politik, stellvertretend für die passiven Bürger, denen es egal wird, was gewählt wird oder welche Politik betrieben wird. Die Wähler, die sich abstinent verhalten, wählen zwar nicht direkt; indirekt aber bestätigen sie die Wahlen der aktiven Wähler. Sie lassen deren Bestimmung der Politik zu. Es ist eine eigene Governance: Sie wählen die Zulassung ihrer Wahl durch andere. Sie sind keine Partei der Nichtwähler, sondern eine Zwischen-Partei, die ihr Mandat anderen gibt, die sie weder kennen noch bevorzugen. Folglich ändert sich die Demokratie in ihrer inneren Struktur: nicht mehr alle Bürger wählen gleichberechtigt, sondern die passiven Bürger wählen sich ihre aktiven Wähler, gleichsam als Repräsentanten ihres Unwillens, der aber, da leer, durch die Willen der Repräsentanten gefüllt wird.”
“Sie sind keine Partei der Nichtwähler, sondern eine Zwischen-Partei”
Tatsächlich ist dieses aufgeworfene Problemfeld, weniger auf die Nichtwähler, sondern mehr auf das Wahlrecht zuzuschreiben. Nichtwähler könnten somit als kritische Stimme gegenüber dem bestehenden politischen System fungieren, welche eine Veränderung herbeiführen könnte. Die Debatte um die Rolle der Nichtwähler und wie sie die politische Landschaft beeinflussen ist ebenso aus einer ganz anderen Richtung kontrovers.
“Bevölkerung ja nicht das Vertrauen in die Politik verloren hat – sie vertraut den Politikern nicht mehr”
>>Generation Beziehungsunfähig. Die Lösungen von Michael Nast (Buch) <<
“Man muss dazu natürlich sagen, dass die Bevölkerung ja nicht das Vertrauen in die Politik verloren hat – sie vertraut den Politikern nicht mehr. Viele Nichtwähler sind politisch interessierter als nicht wenige Wähler, die ihr Leben lang dieselbe Partei wählen. Man sagt ja, es gibt keine Politikverdrossenheit, es gibt eine Politikerverdrossenheit. Die Bevölkerung ist einfach menschlich enttäuscht. Allerdings kommt jetzt durch die wirtschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre etwas hinzu, das einen noch mehr resignieren lässt: die professionellen Unzulänglichkeiten der Politiker, die den Problemen nicht mehr gewachsen sind. Die Politiker wirken immer machtloser. Sie stehen mit dem Rücken zur Wand. Sie agieren nicht mehr, sie reagieren nur noch. Es geht nur noch um Schadensbegrenzung. Sie stehen den Entwicklungen einfach nur hilflos gegenüber.”
“Man sagt ja, es gibt keine Politikverdrossenheit, es gibt eine Politikerverdrossenheit”
Die Stimme der Nichtwähler mag vielleicht bei Wahlen schwer zu hören, aber dennoch scheint diese Gruppe weitaus politischer als die Wahlgänger zu sein. Gleichzeitig senden sie durch ihre Passivität eine Botschaft aus, die von Politikern und Parteien wahrgenommen werden sollte. Wenn ein großer Teil der Bevölkerung nicht wählt, kann dies das Vertrauen in die Demokratie insgesamt untergraben und zu einer Legitimitätskrise führen. Darüber hinaus könnten politische Entscheidungen verzerrt sein, da die Interessen und Bedürfnisse der Nichtwähler nicht angemessen berücksichtigt werden.
Die Auswirkungen der Nichtwähler auf politische Entscheidungen
Es ist wichtig, dass die Stimmen aller Bürger gehört werden, um eine gerechte und repräsentative Politik zu gewährleisten. Eine Möglichkeit, die Beteiligung zu erhöhen und die Auswirkungen der Nichtwähler zu verringern, könnte die Einführung von direkter Demokratie sein, um die Bürger stärker in den politischen Prozess einzubeziehen.
Direkte Demokratie als Mittel zur Stärkung der Bürgerbeteiligung
Direkte Demokratie wird oft als Mittel zur Stärkung der Bürgerbeteiligung in politischen Prozessen angesehen. Durch Instrumente wie Volksabstimmungen und Bürgerbegehren erhalten die Bürger direkten Einfluss auf Entscheidungen, die ihr tägliches Leben betreffen, wie es in anderen Ländern bereits gelebt wird.
“Direkte Demokratie, Selbstbestimmung von Kommunen, Städten und Regionen, Entprofessionalisierung der politischen Klasse”
>>Die Besserkönner – Was die Schweiz so besonders macht von Wolfgang Koydl (Buch) <<
“Direkte Demokratie, Selbstbestimmung von Kommunen, Städten und Regionen, Entprofessionalisierung der politischen Klasse. Schweizer misstrauen Berufspolitikern und jeglicher staatlichen Autorität. Das tun Franzosen, Italiener und andere Nationen zwar auch. Aber ihnen bleibt – außer ohnmächtigem Zorn – nur das Kreuz auf dem Wahlzettel alle vier, fünf Jahre. Schweizer reden immer mit, und sie lassen sich den Mund nicht verbieten. Die Unterschiede liegen auf der Hand: Die Eidgenossenschaft hat zwar dieselben Probleme wie andere postindustrielle Gesellschaften, aber ihre Lösungsansätze sind oft anders, origineller und deshalb nicht selten beispielhaft – vom Bildungswesen über öffentliche Haushalte und das Steuersystem bis hin zum Umgang mit Kranken und Sterbenden. »Wenn wir betrachten, wie die Schweizer mit Massenkultur, modernem Transportwesen, technologischen Veränderungen, Inflation, Urbanisierung, Bevölkerungswachstum, Säkularisierung, Umweltverschmutzung und Gewalttaten extremistischer Gruppen umgehen, erkennen wir in einer kleinen Arena, womit sich Europa in einer großen Arena konfrontiert sieht«, beschreibt es der amerikanische Historiker Jonathan Steinberg.”
“Schweizer misstrauen Berufspolitikern und jeglicher staatlichen Autorität”
Es kann also sehr wohl dazu beitragen, das Vertrauen in die Politik zu stärken und die Bindung zwischen Regierenden und Regierten zu verbessern. Zudem ermöglicht direkte Demokratie eine größere Vielfalt an Meinungen und Ideen in politische Entscheidungen einzubringen, da nicht nur gewählte Vertreter, sondern auch die Bürger selbst aktiv mitwirken können. Somit kann direkte Demokratie dazu beitragen, die Stimme der Nichtwähler zu stärken und ihre Interessen besser zu berücksichtigen. Ein solches System könnte dazu beitragen, den demokratischen Prozess insgesamt zu verbessern und die Partizipation der Bürger am politischen Geschehen zu fördern.