“Nicht wenige Sorben reagieren genervt, wenn wieder ein Artikel oder Film mit den immer gleichen Motiven illustriert”
Die moderne Sorbische Kultur hat vielfältige Ausdrucksformen – jenseits der Folklore – hervorgebracht. Dennoch werden Sorben häufig als Folklorevolk – mehr oder weniger – öffentlich vorgeführt. Denn oft gerät die moderne Sorbische Kultur bei öffentlichen Darstellungen in den Hintergrund und wird stattdessen von Stereotypen überlagert. Teilweise wird hierbei die sorbische Kultur und Identität in der Öffentlichkeit zur Schau gestellt wurden und jenes ruft Erinnerungen an dunklere Zeiten hervor. Die Praxis der Völkerschauen im 19. und frühen 20. Jahrhundert ist in Teilen bereits vergessen. Es handelt sich hierbei um exotisierte Darstellungen indigener Völker oder Minderheiten.
“Völkerschauen zur Belehrung und Unterhaltung eines großen Publikums”
>>Die Unterwerfung von Philipp Blom (Buch) <<
“Völkerschauen zur Belehrung und Unterhaltung eines großen Publikums. Hier schwelgte der Zoodirektor in stolzen Erinnerungen. Seine Spektakel waren nach London, Berlin und 1886 auch nach Frankreich gereist: »Diese Völkerschau war die Sensation von Paris gewesen. Sie hatte dem Garten nicht nur bedeutende Einnahmen, sondern einem unabsehbaren Publikum Unterhaltung, Anregung und Belehrung gebracht. Sonntags hatte die Schaustellung bis über eine halbe Million Besucher angezogen.« Zu Anfang hatte Hagenbeck einige Familien aus Lappland importiert, um sie gemeinsam mit Rentieren bei ihrem ganz normalen Alltag zu präsentieren. Die kleingewachsenen Sami in ihren Kostümen aus Rentierfell und mit ihren Waffen, Zelten und Gerätschaften waren eine Sensation in Hamburg und der Unternehmer witterte ein fettes Geschäft.”
“Völkerschauen” “Einige Familien aus Lappland importiert, um sie gemeinsam mit Rentieren bei ihrem ganz normalen Alltag zu präsentieren”
Die Samen sind ein europäisches indigenes Volk, welches hauptsächlich im nördlichen Skandinavien lebt. Diese Art der Völkerschauen haben sich lange gehalten und noch auf dem Oktoberfest im Jahre 1959 fand eine vor internationalen Publikum statt. Leider scheint es so, dass einige dieser Stereotype hartnäckig überdauern und auch heute noch aufrechterhalten werden. Auf alle Fälle hat beim “Folklore-Rummel” auch die DDR mitgemacht.
“Was als sorbische Kulturpolitik ausgegeben wurde, verkam zum Folklore-Rummel”
” Was als sorbische Kulturpolitik ausgegeben wurde, verkam zum Folklore-Rummel – vorzüglich geeignet, die internationale Brüderlichkeit im Arbeiterund-Bauern-Staat hervorzukehren. Alle vier Jahre – und oft mit dem Ehrengast Hans Modrow von der Dresdner SED-Bezirksleitung – wurde ein staatlich finanziertes Sorben-Festival aufgezogen, dessen soziale Botschaft nicht eindringlicher war als die des Kölner Karnevals. … »Wir müssen«, beklagte der Musikdramaturg des »Staatlichen Ensembles für sorbische Volkskultur«, Detlev Kobela, die Zustände, »herunter vom Image der immerfort Trachten tragenden, Ostereier malenden Minderheit.«
“
“Vom Image der immerfort Trachten tragenden, Ostereier malenden Minderheit”
Für viele Sorben sind diese immer gleichen Folklore-Motive mittlerweile mehr als nur nervtötend; sie stellen eine Verzerrung ihrer kulturellen Vielfalt dar. Es ist wichtig zu verstehen, dass die sorbische Gemeinschaft viel mehr zu bieten hat als folkloristisch angehauchte Trachten oder traditionelle Tänze.
Domowina gegen Sorben: „Wir Sorben wurden und werden vorgezeigt“
„Galten die Sorben nicht offiziell als die Hätschelkinder der DDR?
Nur nach außen. Von den Sorben wurde in der DDR ein merkwürdiges Folklore-Bild produziert, das auch heute wieder Konjunktur hat. Wir Sorben wurden und werden vorgezeigt, wenn’s ums Bemalen von Ostereiern oder das Osterreiten geht. Immer wenn Ostern ist, werden wir als Folklorevolk präsentiert. Dass wir ein Kulturvolk sind mit einer Hochsprache seit der Reformation, das spielt kaum eine Rolle in der Öffentlichkeit.“
„Ein merkwürdiges Folklore-Bild produziert – Das auch heute wieder Konjunktur hat“
Die Sorbische Kultur verfügt über eine reiche Geschichte sowie eigene Sprache und Bräuche, die weit darüber hinausgehen. Indem wir weiterhin solche Klischees bedienen und das Bild einer statischen Volksgruppe pflegen zu wollen.
Berichterstattung über die Sorbische Kultur: “Die Stereotype sind hartnäckig”
“Die Stereotype sind hartnäckig. Wann immer es in Reiseberichten aus der Lausitz oder Reportagen über den Strukturwandel im dortigen Braunkohlenrevier um Sorben geht, werden sie mit Bildern von Ostereiern und Osterreiten illustriert, ergänzt allenfalls um Trachten, die in sorbisch-katholischen Dörfern um Bautzen oder im Spreewald vor allem noch bei festlichen Anlässen getragen werden: weite Röcke, bunt verzierte Brusttücher, weit ausladende Hauben. Nicht wenige Sorben reagieren genervt, wenn wieder ein Artikel oder Film mit den immer gleichen Motiven illustriert wird. Es sei »unsere Crux als Minderheit«, auf wenige Klischees reduziert zu werden, … “
“Nicht wenige Sorben reagieren genervt, wenn wieder ein Artikel oder Film mit den immer gleichen Motiven illustriert”
Viele Sorben sind deshalb genervt, dass immer wieder die gleichen Folklore-Bilder präsentiert werden. Dabei gibt es so viel mehr zu entdecken. Die sorbische Musikszene beispielsweise bietet eine Fülle an Genres wie Rap, Pop, Rock oder Blues – alles auf Sorbisch gesungen und mit modernen Einflüssen versehen.
“Alles auf Sorbisch” – “Es gebe viele Formen vom Rap über Pop, Rock, Liedermacher-Songs, Folk, Blues”
“Sorbische Musik ist nach Expertenansicht längst mehr als Folklore. Es gebe viele Formen vom Rap über Pop, Rock, Liedermacher-Songs, Folk, Blues: “Alles auf Sorbisch”,… . Ihr Zweck ist die Pflege und Förderung sorbischer Sprache und Kultur, mit einem kleinen Budget werden zum Beispiel auch Musikproduktionen ganz unterschiedlicher Art unterstützt.”
“Pflege und Förderung sorbischer Sprache und Kultur, mit einem kleinen Budge”
Junge Musiker setzen sich kritisch mit ihrer Identität auseinander und verleihen dieser eine zeitgemäße Stimme.Es gibt also weit mehr als nur “bemalte Eier, Folklore, alte Damen in Trachten” zu entdecken.
„Kommt der Bundespräsident in die Lausitz, erinnert man sich plötzlich an die Sorben“
“Sorben sind oft: bemalte Eier, Folklore, alte Damen in Trachten. Gibt es eine sorbische Moderne?
Dass diese Frage gestellt wird ist schon ein Problem, weil sie zeigt, wie wenig in der deutschen Mehrheitsgesellschaft über Sorben bekannt ist. Man greift auf uns immer als Klischee zurück. Sorben sind gut, um mit Brot und Salz und in Trachten zu begrüßen. Kommt der Bundespräsident in die Lausitz, erinnert man sich plötzlich an die Sorben. Dabei gibt es bei uns Rockmusik, es gibt Literatur aller Genres, moderne Theaterstücke. Es gibt alles, was unsere deutschen Nachbarn auch haben.”
„Sorben sind oft: bemalte Eier, Folklore, alte Damen in Trachten“
Ein weiterer Aspekt ist die moderne sorbische Alltagstracht. Oftmals nur auf besondere Anlässe beschränkt, wird sie zunehmend von jüngeren Generationen auch im Alltag getragen. Dies zeigt deutlich den Wunsch nach einer stärker sichtbaren Präsenz der eigenen Kultur im täglichen Leben.
Mode: “Abseits von Folklore” – “Wahrnehmung der sorbischen Kultur”
“Unsere Ideen beruhen auf der Verbindung klassischer sorbischer Gestaltungselemente mit modernem Grafikdesign. Dabei orientieren wir uns an sorbisch-wendischen Sagen, Bräuchen sowie der Alltagstracht, welche gegenwärtig still und heimlich aus unserem Alltag verschwindet. Unser Ziel ist die Wahrnehmung der sorbischen Kultur als lebendigen und selbstbewussten Teil Sachsens und Brandenburgs – abseits von Folklore.”
Mode: “Orientieren wir uns an sorbisch-wendischen Sagen, Bräuchen sowie der Alltagstracht”
Es ist insgesammt traurig festzustellen, dass all diese Facetten der sorbischen Kultur oft ausgelendet werden. Dabei bieten sie eine wunderbare Möglichkeit, die Vielfältigkeit und Lebendigkeit dieses Volkes zu zeigen. Es ist an der Zeit, über die Klischees hinauszugehen und den Fokus auf das moderne sorbische Schaffen zu legen. Es ist es wichtig, die vielschichtige und moderne sorbische Kultur näher zu betrachten.