“Kindergeld ist rein rechtlich gesehen eine Steuervergütung” – Soziokulturelle Existenzminimum: Kindergeld für alle?
Was hat heutzutage die Steuergesetzgebung mit DDR-Witzen tun tun? Diese wurden eher als Flüsterwitze weitergesagt, weil die öffentliche Verbreitung negative Konsequenzen haben konnte und manche können noch heute zum schmunzeln anregen.
Steuergesetzgebung: Was können DDR-Witze heute noch aussagen?
“Ein DDR-Inlandsflug eines Interflug-Flugzeuges wird nach Köln-Bonn entführt. Das Flugzeug steht von der GSG 9 bewacht auf dem Rollfeld. Das ZK berät seit zwei Stunden, wie verfahren werden soll. Einer schlägt endlich vor, den Kidnapper zu fragen, welche Forderungen er stellt. Der Kidnapper, ein Familienvater von zwei Kindern, stellt drei Forderungen:
Er möchte endlich seinen Trabant ausgeliefert haben, für den er schon 14 Jahre angemeldet ist.
Er möchte eine Drei-Zimmer-Wohnung für seine Familie.
Er möchte dieses Jahr einen Ferienplatz an der Ostsee.”
“Drei-Zimmer-Wohnung für seine Familie” – “Ferienplatz an der Ostsee”
Diese Forderungen – als Witz formuliert – hören sich reichlich banal an. Allerdings ließe sich dieser Witz auch leicht auf die heutige Zeit umformulieren. Angesichts von Wohnungsnot und schwindender Kaufkraft sind Urlaub oder das eigene Auto längst zum Luxusgut geworden. Es wird deshalb auch vom Existenzminimum gesprochen. – Hier gehört eine angemessene Wohnung, Mobilität und auch Freizeitgestaltung dazu: Nicht umsonst ist deshalb rechtlich das soziokulturelle Existenzminimum – die Betonung liegt auf Soziales und Kultur – gemeint, wobei es sich hierbei um keine besondere Wohltat des Staates handelt.
“Steuerpflichtigen ein angemessenes, steuerfreies Existenzminimum belassen werden muss”
>>Zum Teufel mit der Steuer! von Reiner Sahm (Buch) <<
“Gleichmäßige Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit bedeutet nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 25. 9. 1992 auch, dass dem Steuerpflichtigen ein angemessenes, steuerfreies Existenzminimum belassen werden muss. Die Einkommensteuer darf deshalb nur den Teil der Einnahmen belasten, der dem Einzelnen nach Abzug seiner zum Leben notwendigen Aufwendungen übrigbleibt, um seine Existenz und seinen Erwerb zu sichern. Auch in seinem Beschluss vom 27. 6. 1991 zur Besteuerung der Zinserträge stützt sich das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich auf die französische Erklärung der Menschenrechte von 1789, denn: „Der Gleichheitssatz verlangt für das Steuerrecht“ nicht nur „dass die Steuerpflichtigen … gleich belastet werden“, sondern dass auch die verschiedenen Einkünftearten tatsächlich gleich belastet werden.”
“Gleichmäßige Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit bedeutet nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes”
Das Thema der gleichmäßigen Besteuerung in Bezug auf die Leistungsfähigkeit ist ein zentraler Aspekt unserer Steuergesetzgebung. Es geht darum, dass Menschen entsprechend ihres Einkommens und ihrer finanziellen Möglichkeiten besteuert werden sollen. Doch was passiert mit denen, die nur über ein geringes Einkommen verfügen? Beim Kindergeld ist es recht anschaulich dargestellt.
“Kindergeld ist rein rechtlich gesehen eine Steuervergütung”
>>Beamte – Was die Adeligen von heute wirklich verdienen von Torsten Ermel (Buch) <<
“Das Kindergeld ist rein rechtlich gesehen eine Steuervergütung. Seine Aufgabe ist es, das Existenzminimum des Kindes steuerfrei zu stellen. … Das heißt, dass es ein eigentliches »Kindergeld« in Deutschland nicht gibt. Die Bezeichnung ist irreführend. Es handelt sich ganz überwiegend nur um eine Erstattung von zu viel gezahlten Steuern. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass das Existenzminimum von Kindern steuerfrei ist. Das ist keine besondere soziale Leistung des Staates. Bei der Berechnung der familienpolitischen Leistungen darf das »Kindergeld« deshalb nicht mitgerechnet werden.”
“Es ein eigentliches »Kindergeld« in Deutschland nicht gibt”
Ihnen steht ein angemessenes steuerfreies Existenzminimum zu, um ihre Existenz – auch für Kinder – zu sichern. In diesem Zusammenhang spielt das Kindergeld eine wichtige Rolle. Rechtlich betrachtet handelt es sich dabei eher um eine Steuervergütung als um Sozialpolitik im eigentlichen Sinne. Dennoch erfüllt es einen sozialen Zweck: Eltern wird dadurch unter anderem geholfen, den Unterhalt ihrer Kinder sicherzustellen. Das bedeutet auch, dass Familien mit niedrigerem Einkommen unterstützt werden sollten. Der Gleichheitssatz des Steuerrechts kommt hier zum Tragen – jeder Bürger soll nach seinen individuellen Verhältnissen zur Finanzierung staatlicher Aufgaben herangezogen werden können. Nur leider gibt es kein Kindergeld für Erwachsene.
“Besteht eine Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung?”
>>Volksbanken Raiffeisenbanken<<
“Besteht eine Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung? … Wer nur ein geringes Einkommen hat, muss oft keine Steuererklärung einreichen. … Bis zum Grundfreibetrag ist keine Lohnsteuer fällig.”
“Wer nur ein geringes Einkommen hat, muss oft keine Steuererklärung einreichen”
Insbesondere müssen auch Geringverdiener teilweise übermäßig Steuern entrichten. Ausnahmslos alle Bereiche des soziokulturelle Existenzminimums sind steuerpflichtig, ohne dass diese Ausgaben in der Steuererklärung berücksichtigt werden können. Diese Ansicht wurde bereits von Ludwig Erhard vertreten – einer der Väter der deutschen Wirtschaftswunderjahre -, welcher sinngemäß betonte: Sozialpolitik ist laut Ludwig Erhard gute Wirtschaftspolitik
“Vereinfacht gesagt arbeitet ein Arbeitnehmer also mehr als die Hälfte des Jahres für den Staat”
>>Welche Zukunft wollen wir? von Walter Kohl (Buch) <<
“Die beste Sozialpolitik ist – nach Erhard – immer noch eine gute Wirtschaftspolitik, denn erfolgreiche Wirtschaftspolitik schafft die Grundlagen für eine ausgewogene Sozialpolitik. Grundlage dieser Überlegung war die auch heute unverändert richtige Erkenntnis, dass eine stabile Wirtschaft zugleich die Demokratie stabilisiert. … Der Staat ist vielmehr aufgerufen, für Rahmenbedingungen zu sorgen, in denen sich die Menschen frei und selbstbestimmt entwickeln können, Eigenverantwortung übernehmen können, nicht in Bürokratie ersticken und auch die Früchte ihrer Arbeit ernten können. Mein Eindruck ist, dass dies in Deutschland heute zu wenig möglich ist. … Vereinfacht gesagt arbeitet ein Arbeitnehmer also mehr als die Hälfte des Jahres für den Staat, bevor er Geld »für sich« verdient. Im Ergebnis fällt die Vermögensbildung aus Lohnarbeit vielen Deutschen immer schwerer. Bei der Vermögensverteilung hingegen liegt die Bundesrepublik bei Mittelwertvergleichen unter den ärmsten Ländern Westeuropas.”
“Im Ergebnis fällt die Vermögensbildung aus Lohnarbeit vielen Deutschen immer schwerer”
Denn wenn die Gesellschaft dafür sorgen möchten, dass alle Mitglieder am wirtschaftlichen Erfolg teilhaben können und niemand zurückgelassen wird, müssen gezielt Maßnahmen ergriffen werden. Insgesamt ist das Kindergeld also ein wichtiger Beispiel, für eine leistungsgerechte Besteuerung für Bürger mit niedrigerem Einkommen, um die Möglichkeit zu geben, ihre Existenz abzusichern. Es trägt dazu bei, dass der Gleichheitssatz des Steuerrechts nicht nur auf dem Papier besteht bleibt, sondern in der Wirklichkeit gelebt wird.