„Demokratiefreie Zonen“ – Repräsentative Demokratie in Erklärungsnot
Ehemalige Arbeiterviertel gelten mittlerweile als „Demokratiefreie Zonen“ . Bei Landtagswahlen liegt die Wahlbeteiligung bei 40 Prozent plus X. Alarmierende Zahlen. Jedoch die Nichtwähler stellen – anders als oft behauptet – eine recht homogene Gruppe da. Und genau das: Bringt die etablierte Politik in arge Erklärungsnot.
Repräsentative Demokratie in Erklärungsnot
>>Die Angst der Eliten von Paul Schreyer (Buch) <<
„Im Jahr 2000 wurde gefragt, ob das Rentenniveau gesenkt werden sollte. Nur 43 Prozent der Armen stimmten zu, jedoch 64 Prozent der Reichen. Ergebnis: Das Rentenniveau wurde per Gesetz gesenkt. 2003, während der Diskussion um die Einführung der Hartz-Reformen, wurde gefragt, ob die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes gekürzt werden solle. Insgesamt gesehen war eine Mehrheit von 54 Prozent der Bevölkerung dafür. Betrachtete man aber die Einkommen getrennt, dann zeigte sich, dass zwar 69 Prozent der Reichen der Kürzung zustimmten, doch nur 44 Prozent der Armen. Gekürzt wurde trotzdem. Ein ähnliches Bild ergab sich bei der 2012 gestellten Frage, ob die Rente mit 67 rückgängig gemacht werden solle: 65 Prozent der Armen wollten das, aber bloß 33 Prozent der Reichen. Die Regierung folgte wieder dem Mehrheitswunsch der Wohlhabenden. … Als 2007 danach gefragt wurde, ob die Bundeswehr möglichst schnell aus Afghanistan abziehen solle, stimmten 75 Prozent der Armen zu, gegenüber 43 Prozent der Reichen.“
Die Interessen der Armen werden übergangen
Die wissenschaftliche Untersuchung kommt zu einen sehr ernüchternden Fazit: „Je höher das Einkommen, desto stärker stimmen politische Entscheidungen mit der Meinung der Befragten überein. … Was Bürger mit geringem Einkommen in besonders großer Zahl wollen, hatte in den Jahren von 1998 bis 2013 eine besonders niedrige Wahrscheinlichkeit, umgesetzt zu werden.“
Wenn ausschließlich die Reichen regieren
Das Besondere an dieser Studie, unter Federführung von Professor Armin Schäfer: Die Untersuchung stammt weder von einem Sozialverband, noch einer Gewerkschaft, sondern von der Bundesregierung höchstpersönlich selbst. Das Ergebnis war der Regierung so peinlich: Das Nachträglich einige heikle Passagen heimlich gestrichen und andere relativierende Textstellen hinzugefügt wurden. Im gewissen Sinne: Stellt das Ergebnis zugleich ein Armutsbericht der eignen Politik da.
Armutsbericht: Bundesregierung streicht heikle Passage
„Enttäuscht, abgehängt, frustriert – arme und arbeitslose Menschen erkennen offenbar immer weniger einen Sinn darin, bei Wahlen ihre Stimme abzugeben. Sozialwissenschaftler sehen bereits einen Trend zu „demokratiefreien Zonen“ in den ehemaligen Arbeitervierteln des Ruhrgebiets.“
Die ehemaligen Arbeiterviertel: „Demokratiefreien Zonen“
„Wenn ich die Meinung unserer Leser zusammenfasse, wundere ich mich nicht mehr, dass die größte Volkspartei inzwischen die der Nichtwähler ist.“
Nichtwähler: „Die größte Volkspartei“
Bei einigen Landtagswahlen liegt schon heute die Wahlbeteiligung bei 40 Prozent plus X. Die neue fiktive Volkspartei, ist die Partei der Nichtwähler: Und diese erreicht erstaunliche Mehrheiten. Und auch dieses Ergebnisse: Korrespondieren mit der regelrecht expandierenden Armut.
Armutsrenten sind der Standard
„So kann jeder Dritte in Deutschland keine unerwartet anfallenden Ausgaben aus eigener Tasche bestreiten, jeder Fünfte muss komplett auf Urlaubsreisen verzichten. Für 8,2 Prozent der Bevölkerung Deutschlands ist es darüber hinaus nicht möglich, mindestens jeden zweiten Tag eine Mahlzeit mit Fleisch, Geflügel oder Fisch beziehungsweise eine entsprechende vegetarische Mahlzeit einnehmen zu können.“
„Jeder Fünfte muss komplett auf Urlaubsreisen verzichten“
Der Armutsbericht der EU sagt aber recht wenig über die Schichten der Bevölkerung aus: Die zwar per Definition als „reich“ gelten, aber deren wirtschaftliche Lage mehr oder weniger genauso schlecht ist. Große Teile der Gesellschaft sind wirtschaftlich regelrecht abgehängt und genau jene: Stimmen schon lange mit dem Füßen ab. Genau das: Bringt die Repräsentative Demokratie in Erklärungsnot. Denn große Teile der Bevölkerung sind nicht mehr Repräsentiert.