Lausitzer Mythen: Die Mönchsmauer
Ueber die Berge zwischen Bischheim und Rammenau, zwischen den Städten Kamenz und Bischofswerda, führte in alten Zeiten ein Steinpfad, die Mönchsmauer genannt. Noch hie und da ist auf jenen Bergen ein gepflasterter Weg auch wirklich sichtbar. Er verbindet den Heiligen Berg bei Bischheim, den Hennersdorfer Berg, den Eulenstein, den Brandhübel, den Schwarzen Berg, den Ohorner oder Rehnsdorfer Steinberg und den Sibyllenstein.
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Von Friedrich Bernhard Störzner
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Wie Dr. Gräße in seinem „Sagenschatz des Königreichs Sachsen,“ – Band II, Seite 108, berichtet, stamme dieser Steinpfad aus der Zeit des heiligen Benno, der diese Gegend sehr lieb hatte und in Bischheim ein Lustschloß besaß, nach dem der Ort ja auch seinen Namen erhalten haben soll; denn Bischheim ist der Ort, da der Bischof gern daheim war. Man deutet den Namen aber auch Bischofshain. – Von Bischheim aus sei nun der Bischof Benno oft über den Heiligen Berg gewandert.
Nicht ganz unwahrscheinlich ist es, daß Bischof Benno von Meißen die Mönchsmauer erbaut oder auch verbessert hat. Diese Gegend muß diesem Bischofe ja auch wirklich lieb und wert gewesen sein; denn nicht weniger als 3 Kirchen, die zu Lichtenberg, Bischofswerda und Göda, hat er im Jahre 1076 gegründet und erbaut. Dazu soll Bischof Benno auch in Göda ein Lustschloß gehabt haben. Da mag er mit seinem Gefolge oftmals durch diesen Teil der Lausitz gewandert sein und hat sich deshalb jenen Steinpfad über diese Berge anlegen lassen, um nicht die unsichere Heerstraße ziehen zu müssen. Für diese Annahme spricht ja auch der uralte Name jenes Steinpfades. – Nicht unmöglich wäre es aber auch, daß die Mönchsmauer ein Rennsteig gewesen sein könnte, wie solche noch heute in Thüringen und Franken wohlerhalten sind.
Und in Wirklichkeit sind die Höhenzüge zwischen den heutigen Städten Bischofswerda und Kamenz vor 1100 Jahren die Grenze zwischen dem wendischen und deutschen Gebiete gewesen. „Im Jahre 804 endete der Krieg Karls des Großen gegen die Sachsen. Herzog Wittekind trat zum Christentum über und mit ihm viele andere Sachsen. Durch die Besiegung und Christianisierung der Sachsen war aber auch deren Verbindung mit den Wenden gelöst worden, und die Wenden mußten sich nun auch noch zur Abwehr gegen jene rüsten, auf deren Hilfe sie im Notfalle heimlich gerechnet haben mochten. Schon im nächsten Jahre, also 805, sandte Kaiser Karl der Große seinen Sohn Karl in Gemeinschaft mit Wittekind und den vereinigten Franken und Sachsen in die Gaue der Wenden, die im Jahre 805 bei Weißenfels über die Saale gingen. Bald mußten aber die Wenden der Uebermacht weichen. Karl eroberte Halle und Magdeburg, ging in der Gegend von Meißen über
die Elbe und rückte über Großenhain bis an die Pulsnitz bei der heutigen Stadt Königsbrück. Von hier aus setzte Karl seinen Zug nach Kamenz fort und nahm den Wenden ein Gebiet nach dem andern weg. – Wittekinds Schwiegervater, der Herzog Czech, kam mit einem bedeutenden Heere aus Böhmen seinen bedrängten Glaubens- und Stammesgenossen, den Wenden, zu Hilfe. Bei Bautzen trafen die Heere aufeinander, und es kam zu einer blutigen Schlacht, in der die Wenden und Czechs Hilfsheer gründlich geschlagen wurden. Der Herzog Czech selbst verlor das Leben. Bald nach dieser Schlacht bei Bautzen wurde zwischen Karl und den Wenden Frieden geschlossen.
Der Sachsenherzog Wittekind erhielt als kaiserlicher Vasall die neueroberten Länder. Bei diesem Friedensschlusse wurde nun bestimmt, daß die „deutsch-wendische Grenze“, also die Grenze zwischen dem Gebiete der Deutschen und Wenden, sich südlich über Uhyst, Ostro, Elstra, Ossel, Gottsdorf und Othensitz, von dem Hoch- oder Sibyllensteine durch Thalkenberg über die Waldhöhen, den Hut-, Wal- und Wagenberg, hinziehe.“ – Mithin erstreckte sich diese neue Grenze am ganzen Höhenzuge zwischen Bischofswerda und Kamenz hin, so daß östlich der Berge die Wenden und westlich die Deutschen wohnten. Den Deutschen blieben ihre alten und liebgewordenen Opferberge für diesmal erhalten. Mit Recht kann man also annehmen, daß die Mönchsmauer schließlich doch ein sogenannter Renn- oder Grenzsteig gewesen ist, den vielleicht später Bischof Benno benützt und von neuem ausgebaut und verbessert hat. –
Jedenfalls ist aber die Mönchsmauer ein uralter Steinpfad, dessen Entstehung sogar in die Zeit vor Christi Geburt fallen kann. Könnte er nicht auch ein Verbindungsweg der in dieser Gegend vorhandenen Schanzen gewesen sein? Der Burgstall auf dem Ohorner Steinberge ist nicht die einzige Schanze an und auf diesen Bergen.
Darum kann man auch annehmen, daß die Mönchsmauer von jenen Leuten hergestellt wurde, welche die erwähnten Schanzen einst erbauten. Der Pfad ermöglichte es den Umwohnern, bei großer Gefahr die nächst höhergelegene Schanze schnell und sicher zu erreichen. Die höchstgelegene Schanze bildete dann gleichsam die letzte Zufluchtsstätte. Das Auffinden des Pfades wurde den Feinden natürlich erschwert und zwar dadurch, daß man Bäume fällte und mit diesen den Weg gleichsam absperrte. Auch rollte man Felsblöcke herbei und warf Dornen und Gestrüpp auf den Weg. –
Als im 12. und 13. Jahrhunderte die Burgen unserer Heimat sich mehrten, wuchs auch vielfach mehr und mehr die Unsicherheit im Lande, besonders bekämpften die benachbarten Ritter sich gern. Jeder Burgherr ließ daher seine Burg sorgsam bewachen, und im weiten Umkreise hatte man um dieselben Wachtposten, bez. Wachthäuser angelegt. So wurden um die Hauptritterburg Kamenz, zu welcher auch Rammenau und Pulsnitz gehörten, im Jahre 1271 auf mehreren umliegenden Höhen Lughäuschen mit Warttürmen errichtet, um den sich nähernden Feind schon in weiter Ferne erspähen zu können und der Besatzung der Hauptburg sofort Meldung machen zu können.
Solche Lughäuschen standen damals auf dem Gückelsberge, dem heutigen Schwedensteine bei Obersteina, auf dem Hutberge bei Kamenz, dem Kälberberge bei Elstra und ganz wahrscheinlich auch auf dem Ohorner oder Rehnsdorfer Steinberge. Jener Steinpfad, die Mönchsmauer genannt, dürfte dann sicherlich ein bequemer Verbindungsweg gewesen sein.