„Man sollte ihnen keine Träne nachweinen“ – Abwanderung und wirtschaftlicher Strukturbruch in der Lausitz
„Dem Strukturwandel in seinem Lauf halten weder Vernunft noch Verstand auf.“ – Wer jetzt an Erich Honecker denkt, derjenige liegt nicht ganz falsch. 80 Prozent aller Ostdeutschen haben im Zuge der Wiedervereinigung ihre Arbeit verloren. Überall sind Strukturbrüche und gebrochene Lebensläufe anzutreffen.
„80 Prozent der erwerbstätigen Ostdeutschen vorübergehend oder auf Dauer ihren Job verloren“
Zudem haben Millionen Menschen ihre Heimat verlassen. Folge: Leerstehende Gebäude und sogar Innenstädte verweisen immer mehr. Doch nun steht bereits der nächste große Strukturbruch vor der Tür, obwohl die wirtschaftlichen Folgen der Wiedervereinigung immer noch nachhallen.
„Seit der Wende verließen Millionen Menschen den Osten und lösten eine demografische Krise aus“
„Ost-West-Wanderung: Die Millionen, die gingen Seit der Wende verließen Millionen Menschen den Osten und lösten eine demografische Krise aus. … Sie zeigen, dass nach der Wiedervereinigung fast ein Viertel der ursprünglichen Bevölkerung Ostdeutschlands in den Westen zog … Der Soziologe Paul Windolf schätzt, dass in den fünf Jahren nach der Wende bis zu 80 Prozent der erwerbstätigen Ostdeutschen vorübergehend oder auf Dauer ihren Job verloren.“
„Fast ein Viertel der ursprünglichen Bevölkerung Ostdeutschlands in den Westen zog“
Immerhin bietet die Studie einen positiven Ausblick an: Immer weniger Menschen aus Ostdeutschland wandern ab. Allerdings der Grund hierfür dürfte wohl mitnichten Jubel auslösen: Es sind kaum noch wanderungswillige Menschen vorhanden. Außerdem sind es ja nicht nur einfach Menschen die abwandern, sondern sie trugen gewissermaßen auch die Zukunft fort: Deren ganze Wertschöpfungskraft – mitsamt ihren ungeborenen Kindern – sind ebenfalls abgewandert: Also von der Vereins- und Familienarbeit, über qualifizierte Mitarbeiter, bis hin zum mittelständischen Unternehmer ist das ganze gesellschaftliche Spektrum abgedeckt.
Erich Honecker: „Man sollte ihnen keine Träne nachweinen“
„Man sollte ihnen keine Träne nachweinen.“ – Eigentlich rührt das Zitat von Erich Honecker her. Aber erst nach der Wiedervereinigung wurde „Erichs-Spruch“ so richtig Leben eingehaucht und er hat bis heute an seiner Ausstrahlungskraft kaum etwas eingebüßt.
„Vorbei ist vorbei“ – „Wo gibt es heute noch die rauschenden Feste?“
„Dahmer Schützenhaus – Vorbei ist vorbei … Das Leben ist kein Wunschkonzert. Soll heißen: Wo gibt es heute noch die rauschenden Feste? … Wer würde in den Kulturtempel strömen, wenn es ihn noch einmal gäbe? Wer die Plätze der Gaststätte füllen, auf die ein Betreiber wohl wirtschaftlich angewiesen wäre?“
Abwanderung in der Lausitz: „Wer die Plätze der Gaststätte füllen, auf die ein Betreiber wohl wirtschaftlich angewiesen wäre?“
Stumme Zeugnisse wie das Dahmer Schützenhaus stehen für eine andere Zeit ein. Da aus den einstigen „Blühenden Landschaften“ nichts so rechts geworden ist, gingen folglich die Menschen mitsamt ihren kulturellen Leben fort. Mittlerweile sind die Folgen hiervon sogar in den Innenstädten – für jeden Sichtbar – zu beobachten.
„Toten Schaufenstern in Bautzen“
„Toten Schaufenstern in Bautzen Leben einhauchen … Die Wirtschaftsförderung der Stadt sucht nach Lösungen, wie die Besitzer von leerstehenden Ladenlokalen neue Mieter finden können. An die Eigentümer wurden Fragebögen verschickt.“
Lausitz: „Besitzer von leerstehenden Ladenlokalen“
Schaufenster in denen es nichts zu sehen gibt? – Oder anders formuliert: Der Letzte macht das Licht aus? Zudem ist Bautzen keine beliebige Lausitzer Kleinstadt, sondern steht – neben Cottbus und Görlitz – als wirtschaftliches und kulturelles Zentrum da. Statt mit abstrakten Zahlen zu hantieren: Es reicht völlig aus durch die Innenstädte zu laufen. Jedoch die Kabinettsbeschlüsse spielen sich in einer ganz anderen Realität ab. Denn zu allen Überfluss sollen noch mehr Arbeitsplätze verschwinden.
„Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ – Helmut Kohls „Blühende Landschaften“ im neuen Gewand
>>Landesregierung Brandenburg<<
„Das Brandenburger Kabinett hat für den hiesigen Teil der Lausitz zudem konkrete Einzelprojekte beschlossen, die der vom Bundeswirtschaftsministerium zugesagten Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ vorgelegt werden sollen. Die Projektliste soll beispielhaft die strukturpolitischen Prioritäten Brandenburgs aufzeigen.“
Bei soviel Kompetenz: Warum muss eine staatliche Wirtschaftsförderung überhaupt Fragebögen verschicken?
Kurzum: Tausende gut bezahlte Arbeitsplätze sollen abstrakten Ideen einer staatlichen Kommission weichen? Ungeachtet aller gesammelten Erfahrungen soll nun der zweite Aufguss der einstigen „Blühenden Landschaften“ erfolgen? In jenen Zusammenhang kommt eine vermeintlich triviale Aussage einen bedeutenden Stellenwert zu: „Toten Schaufenstern in Bautzen Leben einhauchen … Die Wirtschaftsförderung der Stadt sucht nach Lösungen, wie die Besitzer von leerstehenden Ladenlokalen neue Mieter finden können. An die Eigentümer wurden Fragebögen verschickt.“
Paraphierung von Erich Honecker: „Die Energiewende in seinem Lauf halten weder Vernunft noch Verstand auf“
Wenn die staatlichen Kommissare von „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ ohnehin über ein viel besseres wirtschaftliches Verständnis verfügen: Weshalb muss dann die staatliche Wirtschaftsförderung überhaupt Fragebögen verschicken? – Aber auch hilft Erich Honecker – sogar nach seinem Tod – weiter: „Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf.“ – oder paraphrasiert: „Die Energiewende in seinem Lauf halten weder Vernunft noch Verstand auf.“