DNA-Archäologie: “R1a- und R1b-Männern verschieben sich in Deutschland ziemlich genau dort, wo die innerdeutsche Grenze verlief”
DNA-Archäologie – Was hat die prähistorische Schnurkeramische Kultur mit der innerdeutschen Grenze bis zur Wiedervereinigung zu tun? – Antwort: Überhaupt nichts? Augenscheinlich gibt die DNA-Archäologie eine andere Antwort auf die Frage ab.
“Mehrheitsverhältnisse zwischen R1a- und R1b-Männern verschieben sich in Deutschland ziemlich genau dort, wo die innerdeutsche Grenze verlief”
>>Die Reise unserer Gene von Johannes Krause & Thomas Trappe (Buch) <<
“Die mit den Einwanderern nach Europa gekommenen Y-Chromosomen sind bis heute die dominantesten auf dem Kontinent, ein bedeutender Anteil der Bevölkerung geht folglich auf eine Reihe von »Urvätern« aus der Steppe zurück. Dabei verläuft eine genetische Grenze zwischen West- und Osteuropa. Zwar trägt überall die Mehrheit der Männer ein Y-Chromosom aus der Steppe, doch herrscht in Ost und West jeweils eine andere Unterform vor. So haben etwa 70 Prozent der männlichen Westeuropäer ein Y-Chromosom der Haplogruppe R1b und etwa die Hälfte der Osteuropäer eines vom Typ R1a. … So ist die R1a dort dominant, wo sich die Kultur der Schnurkeramik etablierte, während R1b vor allem in den Gebieten der Glockenbecher-Kultur auftritt. Ebenfalls erwähnenswert, wenn auch rein zufällig: Die Mehrheitsverhältnisse zwischen R1a- und R1b-Männern verschieben sich in Deutschland ziemlich genau dort, wo die innerdeutsche Grenze verlief.”
“So ist die R1a dort dominant, wo sich die Kultur der Schnurkeramik etablierte, während R1b vor allem in den Gebieten der Glockenbecher-Kultur auftritt”
Wenngleich diese genetische Grenze nicht vollständig mit der ehemaligen Westgrenze der DDR übereinstimmt. Die historische Region des Ostelbiens würde da aber sehr wohl passen: Die Flüsse Elbe und Saale würden hierbei eine Grenze bilden. Genau an dieser Stelle hat sich die prähistorische Schnurkeramische Kultur befunden.
“Nach derzeitiger Kenntnis besitzt ein guter Teil der Schnurkeramik‐Männer die Haplogruppe R1a”
>>Archäologie in Deutschland (Heft 04/2020) <<
“Nach derzeitiger Kenntnis besitzt ein guter Teil der Schnurkeramik‐Männer die Haplogruppe R1a (bevorzugt Variante M417, die auch heute noch in Osteuropa weit verbreitet ist), während fast alle Glockenbecher‐Männer zur Gruppe R1b gehören (Variante M269/P312, die vorherrschende Basisgruppe in Westeuropa).”
“Während fast alle Glockenbecher‐Männer zur Gruppe R1b gehören”
Die Schnurkeramische-Kultur ist ein wichtiger Teil der Archäologie und stellt die ersten bekannten Agrargesellschaften Europas dar. Die Schnurkeramische Kultur war eine keltische Kultur in Mitteleuropa, die von ca. ca. 3000 bis 2200 v. Chr. existierte. Die Bezeichnung leitet sich von der typischen Keramik der Kultur ab, die oft mit einer Schnur verziert war. Die Schnurkeramische Kultur hatte vermutlich großen Einfluss auch auf die spätere Kultur in Europa und ist daher von großer Bedeutung für die Historie des Kontinents. Auf alle Fälle hat sich im Westen eine andere Kultur befunden und die hat ganz andere Artefakte hinterlassen.
“Mittlerweile scheint die Genetik das Geheimnis der Glockenbecher gelüftet zu haben”
>>Die Himmelsscheibe von Nebra von Harald Meller & Kai Michel (Buch) <<
“Mittlerweile scheint die Genetik das Geheimnis der Glockenbecher gelüftet zu haben: Sie sind kein reines Phänomen, hinter dieser Keramik verbargen sich reale Menschen, und die kamen – das legen die neuen Forschungsergebnisse nahe – auch aus dem Osten. Sie scheinen aus etwas südlicher gelegenen Steppenregionen als die Schnurkeramiker zu stammen. Das ist eine durchaus überraschende Erkenntnis, lokalisierte man doch ihren Ursprungsort traditionell im Westen, auf der Iberischen Halbinsel – und viele Archäologen tun das aufgrund der Funde noch immer. Auffallend ist ihre inselhafte Ausbreitung über Mittel- und Westeuropa. Auch sie hinterließen deutliche Spuren in der heutigen genetischen Grundausstattung Europas.”
“Hinterließen deutliche Spuren in der heutigen genetischen Grundausstattung Europas”
In den letzten Jahren wurden zahlreiche interessante Studien zu diesem Thema durchgeführt. Eine der neueren Untersuchungen, die sich mit der Schnurkeramischen Kultur beschäftigt, ist die Haplogruppe R1a der DNA. Diese Studie hat ergeben, dass es einen starken Zusammenhang zwischen dem Auftreten bestimmter genetischer Marker und der Schnurkeramischen Kultur gibt.
Slawen: „Bereits vor 35.000 Jahren in den böhmischen Eiszeitsteppen Mammuts jagten“
„Nur ein Drittel der Tschechen ist Lucie Benešová zufolge genetisch tatsächlich slawisch, weitere 35 Prozent haben germanisch-keltische Wurzeln. Interessant ist, dass ganze 18 Prozent der Tschechen scheinbar Vorfahren haben, die bereits vor 35.000 Jahren in den böhmischen Eiszeitsteppen Mammuts jagten.“
Die slawische Haplogruppe R1a belegt die genetische Kontinuität
R1a ist ein häufig vorkommender genetischer Marker, der aufgrund seiner weitverbreiteten Präsenz als Indikator für menschliche Migration verwendet wird. Daher konnten Forscher anhand der Haplogruppe R1a nachweisen, dass die Menschen, die in Europa während des Neolithikums lebten, tatsächlich direkt mit denjenigen in Osteuropa verbunden waren.
“Alte menschliche und tierische DNA bleibt in mikroskopisch kleinen Knochen- und Kotfragmenten erhalten”
“Alte menschliche und tierische DNA bleibt in mikroskopisch kleinen Knochen- und Kotfragmenten erhalten – Durch die Analyse von in Sedimenten konserviertem Erbgut kann die Anwesenheit von Menschen und Tieren an archäologischen Fundstätten nachgewiesen werden. Nur wenig war bisher darüber bekannt, wie DNA über lange Zeiträume in Sedimenten überdauert.”
“Durch die Analyse von in Sedimenten konserviertem Erbgut kann die Anwesenheit von Menschen und Tieren an archäologischen Fundstätten nachgewiesen”
Eine weitere interessante Erkenntnis aus dieser Studie war, dass es bestimmte Haplogruppe R1a gibt, überwiegend in slawisch geprägten Ländern vorkommen. Dies deutet darauf hin, dass einige Gruppierungen des R1a-Markers direkt mit der Etablierung der schnurkeramischen Kultur in Mitteleuropa verbunden sein können. Die R1a-Studie über die schnurkeramische Kultur stellt somit einen bedeutenden Schritt hin zu einem besseren Verständnis unserer gemeinsamen Vergangenheit dar.