Sinkende Reallöhne: Kann es eine kalte Progression auf Sozialabgaben überhaupt geben?
Eine kalte Progression auf Sozialabgaben? – Noch niemals davon gehört? Da die Sozialversicherungssysteme mittlerweile als irgendwie “heilig” gelten sollen, ist dieses Thema tabuisiert. Tatsächlich machen aber die Sozialabgaben einem erheblichen Teil der Abgabenlast aus und die sinkenden Reallöhne müssen irgendwo herkommen.
Stand des Jahres 2010: “Reallöhne sind seit 1990 um bis zu 50 Prozent gesunken”
“Reallöhne sind seit 1990 um bis zu 50 Prozent gesunken – Ernüchterndes Ergebnis: Ein großer Teil der Beschäftigten verfügt heute über eine geringere Kaufkraft als vor 20 Jahren. Das geht aus einer Untersuchung der Gehälter in den 100 häufigsten Berufen hervor. Die Einbußen im Vergleich zu 1990 liegen bei bis zu 50 Prozent.”
Stand des Jahres 2010: “Einbußen im Vergleich zu 1990 liegen bei bis zu 50 Prozent”
Zur Vollständigkeit: Es stellt lediglich den Stand des Jahres 2010 dar. Natürlich kommt hierbei die Frage auf: Wie kommen die diese Reallohnverluste zustande? Schließlich ist die “reine Inflation” dafür wenig ausschlaggebend. Bei – rein theoretisch – steigenden Preisen und Löhnen läuft es am Ende auf ein Nullsummenspiel hinaus. Aber bei dieser Rechnung bleibt die kalte (Steuer-)Progression unberücksichtigt.
“Der Begriff der „kalten Progression“ bezeichnet eine Art schleichende Steuererhöhung”
>>Bundesministerium der Finanzen<<
“Was ist die kalte Progression? – Gemäß dem Progressionsbericht werden als kalte Progression Steuermehreinnahmen bezeichnet, die entstehen, soweit Einkommenserhöhungen die Inflation ausgleichen und es in Folge des progressiven Einkommensteuertarifs bei somit unverändertem Realeinkommen zu einem Anstieg der Durchschnittsbelastung kommt.
In einfacheren Worten: Der Begriff der „kalten Progression“ bezeichnet eine Art schleichende Steuererhöhung, wenn eine Gehaltserhöhung komplett durch die Inflation aufgefressen wird, aber dennoch zu einer höheren Besteuerung führt. Ergebnis: Obwohl das Gehalt gestiegen ist, hat man real weniger Geld in der Tasche.”
“Obwohl das Gehalt gestiegen ist, hat man real weniger Geld in der Tasche”
“Die höhere Steuerlast kommt durch das Zusammenspiel von Preissteigerungen und dem steigenden Verlauf der Einkommensteuer zustande, der kalten Progression. Bekommt etwa ein Arbeitnehmer eine Gehaltserhöhung, rutscht er auf der Steuerkurve nach oben, muss also mehr Steuern zahlen. Die Inflation macht aber einen Teil seines Lohnanstiegs wertlos, weil er für Dinge des täglichen Lebens mehr ausgeben muss als vorher. Im schlimmsten Fall schlägt die kalte Progression so zu, dass der Arbeitnehmer durch die Gehaltserhöhung zwar mehr Steuern zahlt, real aber über ein geringeres Einkommen verfügt als vorher.”
“Arbeitnehmer durch die Gehaltserhöhung zwar mehr Steuern zahlt, real aber über ein geringeres Einkommen verfügt als vorher”
Nichtsdestotrotz ist die kalte Progression eigentlich fast immer nur auf die Steuerlast bezogen. Die Sozialversicherungsbeiträge werden bei dieser Frage fast immer ausgeklammert, obwohl der Staat sich aus einem bunten Blumenstrauß aus Einnahmen finanziert.
“Undurchsichtigen Mischung von Steuerarten” – “Die an verschiedenen Stellen in den Wirtschaftsprozess eingreifen”
>>Sonst knallt’s! von Matthias Weik – Götz W. Werner – Marc Friedrich (Buch) <<
“Gegenwärtig finanzieren wir unsere Gemeinschaftsaufgaben mittels einer undurchsichtigen Mischung von Steuerarten, die an verschiedenen Stellen in den Wirtschaftsprozess eingreifen. Außerdem mittels Sozialabgaben für die Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung, die im Prinzip zweckgebunden sind. Folgt man den aktuellen Revenue Statistics der OECD, dann verdanken sich die öffentlichen Einnahmen der Bundesrepublik Deutschland zu 31 Prozent der Besteuerung von Einkommen und Gewinnen, zu knapp 28 Prozent der Besteuerung des Verbrauchs, nur zu 2,6 Prozent der Besteuerung von Eigentum – und zu 38 Prozent den Sozialversicherungsbeiträgen.”
Öffentlichen Einnahmen: “38 Prozent den Sozialversicherungsbeiträgen” – “31 Prozent der Besteuerung von Einkommen und Gewinnen”
Die Sozialversicherungsbeiträge also einem erheblichen Anteil der Belastung aus. Die Begrifflichkeit “kalte Progression” mag hier sicherlich nicht richtig sein, aber genau dieser Effekt trifft auch auf die Sozialabgaben zu. Bei jeder inflationsbedingten Gehaltserhöhung schnellt – wie bei der Steuer – die Abgabenlast der Sozialversicherung in die Höhe hinauf. Das wirkt sich sichtbar auf die Vermögensbildung aus.
“Arbeitet ein Arbeitnehmer also mehr als die Hälfte des Jahres für den Staat”
>>Welche Zukunft wollen wir? von Walter Kohl (Buch) <<
“Vereinfacht gesagt arbeitet ein Arbeitnehmer also mehr als die Hälfte des Jahres für den Staat, bevor er Geld »für sich« verdient. Im Ergebnis fällt die Vermögensbildung aus Lohnarbeit vielen Deutschen immer schwerer. Bei der Vermögensverteilung hingegen liegt die Bundesrepublik bei Mittelwertvergleichen unter den ärmsten Ländern Westeuropas.”
“Im Ergebnis fällt die Vermögensbildung aus Lohnarbeit vielen Deutschen immer schwerer”
Eigentlich müsste der Effekt der “kalten Progression” auf die Sozialversicherungsbeiträge ausgeweitet werden. Gerade die Belastung der Sozialversicherungsträger wird allgemein gerne ausgeblendet.