Lausitzer Geschichte: Der Butterberg bei Bischofswerda

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Zu den besuchtesten Höhen des Westlausitzer Berglandes gehört auch der an Sagen reiche Butterberg bei der Stadt Bischofswerda, der auf seinem höchsten Scheitel einen stolzen Luginsland und ein hübsches, schmuckes Gasthaus trägt. Sommer und Winter hindurch ist das Berghaus bewohnt, und zu jeder Zeit findet hier oben der Wanderer ein gutes Unterkommen, eine freundliche Aufnahme und Bedienung.

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Von Friedrich Bernhard Störzner

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Aus dem Osten oder Westen unsers Vaterlandes kommend, können wir bis zur Stadt Bischofswerda die Eisenbahn benützen. Vom Bahnhofe aus ist der Butterberg, der uns schon aus der Ferne grüßt, in einer halben Stunde zu erreichen. Wir wenden uns zunächst der Stadt zu. Wer nun seit einer Reihe von Jahren Bischofswerda nicht wieder gesehen hat, der wird herausfinden, daß sich inzwischen so manches zum Vorteile des hübschen Landstädtchens geändert hat. Die Bautätigkeit hat sich auch hier gewaltig geregt, und manches herrliche Landhaus ist entstanden. Ein Kranz schöner Villen umgibt heute die Stadt. Der freundliche Marktplatz ist aber noch derselbe geblieben. Selten wird eine andere Stadt einen derartigen Marktplatz aufzuweisen haben. –

Wir überschreiten denselben und biegen in die Geißmannsdorfer Straße ein, die uns in kurzer Zeit nach Geißmannsdorf bringen würde. Doch wir brechen am östlichen Eingange von Geißmannsdorf rechts ab und schlagen den Fußweg nach dem Butterberge ein. Wegweiser machen uns hierauf aufmerksam. Unser Ziel können wir nicht verfehlen; denn der Butterberg liegt stets vor uns, und freundlich grüßt der waldumhegte Aussichtsturm zu uns herab.

An einigen einzelstehenden Häusern vorüberkommend, unter denen sich auch ein ehemaliges Forsthaus befindet, erreichen wir nach zehn Minuten von der Landstraße aus den dämmernden Wald. Zur Rechten bleibt das Dörfchen Pickau liegen. Unser Weg führt am westlichen Rande des Pickauer Berges hin. Zur Linken liegt, durch ein kleines, saftiges Tal getrennt, der Geißmannsdorfer Berg. Vom Waldesrande aus erreichen wir die Höhe des Berges bequem in einem Viertelstündchen. Der Weg bis dahin ist durchaus schattig und bequem, wenn zuletzt auch etwas sehr steil, doch die Waldeskühle erfrischt uns. Endlich erreichen wir die Höhe, die ein idyllisches Wirtshaus trägt. Die kleine Bergebene ist ringsum vom Walde umgrenzt, so daß wir vor Zugwind ziemlich geschützt sind. Der freie Platz vor der Restauration ist mit vielen Tischen, Stühlen und Bänken besetzt, die wieder von schattigen Linden überwölbt sind, so daß die brennenden Sonnenstrahlen uns nicht belästigen können. Bei etwa losbrechenden Gewittern und Regengüssen bieten der geräumige Saal und das anstoßende Gastzimmer einer großen Anzahl Besucher guten Unterschlupf.

Wir werden wohl selten die einzigen Gäste hier oben sein. Der Butterberg hat immer Besuch, sei es an Wochen- oder Festtagen, sei es im Sommer oder mitten im Winter. Am besuchtesten ist der Butterberg freilich Sonntags. Da kommen außer den Städtern auch die Bewohner der umliegenden Dörfer herauf, um hier oben, wo die Freiheit wohnt, einige Stunden der Erholung zu verbringen. Das Schönste, was der Butterberg bietet, das ist die herrliche Rundsicht. Zu diesem Zwecke besteigen wir den steinernen Aussichtsturm, der sich seit dem Jahre 1868 über die Wipfel der ringsum stehenden Bäume erhebt, so daß der Blick ungehindert in die Ferne schweifen kann. Wir übersehen vom Turme aus einen gar großen Teil der Lausitz. Das Lausitzer Bergland liegt gleichsam panoramaartig vor uns ausgebreitet. Wir können uns an dem lieblichen Landschaftsbilde nicht sattsehen. Die Aussicht ist geradezu entzückend schön, wenigstens für denjenigen Besucher des Butterberges, der noch Sinn für Naturschönheit hat und in dessen Brust noch ein feinfühlendes Herz schlägt. Nach Süden hin schweift unser Auge über die Stadt Bischofswerda weg in die Gegend von Stolpen und Neustadt. Herüber zu uns grüßen die Höhen der Sächsisch-Böhmischen Schweiz, von Südwesten her die Berge des östlichen Erzgebirges.

Nach Westen den Blick wendend, liegt vor unserm Auge die Gegend von Pulsnitz und Radeberg. Hinter der letztgenannten Stadt zeigt sich die weitausgedehnte Dresdener Heide, die Vorpostenkette von Dresden und dem Elbtale. Nach Norden hin überblicken wir die Gegend um Elstra, Kamenz und um das Kloster Marienstern. Der höchste Nachbar des Butterberges ist der nach Elstra zu liegende Sibyllenstein. Vor uns, nach dem Kloster Marienstern blickend, liegt der düstere Taucher bei Uhyst, ein umfangreiches Waldgebiet. Nach der nordöstlichen Seite hin reiht sich Dorf an Dorf.

Die sächsische Wendei öffnet ihre Pforten, und unser Auge schweift über diesen gesegneten Landstrich mit Wohlgefallen. Nach Osten zu überschauen wir die Bautzener Gegend, ja, unser Auge reicht bis in die Gegend von Löbau, Zittau und Görlitz. Unter den Bergen, welche sich hier besonders hervorheben, sind der Czornebog und Bilebog zu nennen, ferner der Hochwald und die Lausche. Groß ist aber die Zahl der Dörfer, welche wir vom Turme aus überblicken! Sie sind kaum zu zählen. Mit Recht zählt man den Butterberg bei Bischofswerda zu denjenigen Höhen des Lausitzer Berglandes, welche die schönsten Fernsichten bieten. Wer den Butterberg zum ersten Male besucht, der wird sicherlich von dem, was er bietet, freudigst überrascht sein, und wer ihn kennt, lenkt seine Schritte wiederholt zu ihm.

An den Butterberg bei Bischofswerda knüpft sich so manche geschichtliche Erinnerungen, so manche Sage. Wiederholt wurden die Bewohner unseres Vaterlandes von der verheerenden Pest heimgesucht, auch die Bewohner der friedlichen Lausitz blieben nicht verschont. Jahre hindurch wütete die Pest in Bischofswerda und in der weiteren Umgegend, am schrecklichsten von 1577 bis 1586. Nicht weniger als 600 Personen starben damals in dem kaum viel über 1000 Einwohner zählenden Städtchen. Um die weitere Ausbreitung der verheerenden Pest zu verhindern, wurden die Gassen der Stadt mit Brettern verschlagen. Niemand aus den umliegenden Dörfern wagte es damals, nach der Stadt zu gehen, und doch waren die Bürger von Bischofswerda auf die Landbewohner angewiesen. Sie brauchten ja von diesen allerhand Lebensmittel. Man wußte da aber Rat. Als an den Markttagen niemand mehr von den Dorfbewohnern zur Stadt kam, wurde oben auf dem Butterberge der gewöhnliche Markttag abgehalten, vor allen Dingen der sogenannte Buttermarkt. In einer langen Reihe waren hier Wassergefäße aufgestellt, in welche die Butterempfänger das Geld für die gekaufte Butter werfen mußten. Dasselbe wurde darauf von den Händlern mit Besen gewaschen und so von etwaigem Schmutze und Krankheitsüberträgern gereinigt. Auf diese Art und Weise wollte man sich vor der ansteckenden Pest schützen, da das Geld vorher mit Pestkranken doch in Berührung gekommen sein konnte.

Die Butter wurde dann den Käufern aus der Stadt von weitem mittels Krücken zugeschoben. So kamen Händler und Käufer in nicht zu enge Berührung. Seit jener Zeit soll dieser Berg den Namen „Butterberg“ führen. – Eine andere Namensdeutung ist folgende: Der Name „Butterberg“ erinnert an die Zeit, da noch die Wenden die Herren in dieser Gegend waren und die Götter derselben auf den Bergen der Lausitz angebetet wurden. Der Name Butterberg ist abgeleitet von dem Worte Jutebog oder Jutrow. Jutebog oder Jutrow war bei den Wenden der Gott der Morgenröte oder des Sonnenaufganges. Unter dem Butterberge bei Bischofswerda haben wir einen jener Berge vor uns, auf denen einst die wendische Gottheit Jutebog oder Jutrow verehret wurde. Aus dem Worte Jutrow entstand später der Name Butrow, und die Wenden nannten jenen Berg, auf dem man dem Gotte der Morgenröte und des Sonnenaufganges Opfer darbrachte, Butrowberg, woraus mit der Zeit die Bezeichnung Butterberg entstand. –

Wie die Bewohner der umliegenden Dörfer sich erzählen, sollen im Inneren des Butterberges unermeßliche Schätze vergraben liegen, die von Zwerglein gehütet werden. Alljährlich zur Johannisnacht, wenn man die Sonnenwendfeuer auf den Bergen der Lausitz anzündet, ist der Berg geöffnet, und wer zur selbigen Stunde nach dem Butterberge kommt, kann den Eingang zum Innern des Berges finden, hineingehen und von den hier aufgehäuften Schätzen mit sich nehmen, soviel er nur will!