“Viele Bürger verkauften ihr gesamtes Hab und Gut und nahmen riesige Kredite auf, um Mississippi-Aktien zu erwerben”
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Das Leitmotiv “Wohlstand für Alle” stellt zugleich ein 1957 von Ludwig Erhard herausgegebenes Sachbuch dar, das als das bekannteste Werk eines Politikers aus der Nachkriegszeit angesehen wird. Obwohl dieses wirtschaftliche Konzept bereits seit geraumer Zeit nicht mehr anwendbar ist, wird dennoch in Teilen daran festgehalten. Heutzutage jedoch zielt dieses Versprechen zunehmend darauf ab, die Finanzierung des Staates zu sichern.
“Wohlstand für alle – dieses Credo hat seit Ludwig Erhard nicht an Aktualität verloren”
>>Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft Deutschlands<<
“Wohlstand für alle – dieses Credo hat seit Ludwig Erhard nicht an Aktualität verloren. Doch Wohlstand entsteht nur, wenn individuell Vermögen aufgebaut werden kann. … „Auf den deutschen Konten, Sparkonten und laufenden Girokonten liegen 2,8 Billionen Euro. Stellen Sie sich einen kurzen Augenblick vor, wir wären in der Lage, davon nur zehn Prozent zu mobilisieren, mit einem vernünftigen Zinssatz, für die öffentliche Infrastruktur in Deutschland.“
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“Auf den deutschen Konten, Sparkonten und laufenden Girokonten liegen 2,8 Billionen Euro”
Wer wäre bereit, sein eigenes Geld freiwillig in die öffentliche Infrastruktur zu stecken? Der Staat sieht sich mit erheblichen strukturellen Herausforderungen konfrontiert, und in diesem Zusammenhang würde zusätzliches Geld nicht unbedingt eine Lösung darstellen. Doch das Konzept ist keineswegs neu, wie historische Beispiele belegen.
“Im Anschluss an das Goldverbot wurde der Dollar um 43 % gegenüber Gold abgewertet”
>>Die Schuldenlawin von Bert Flossbach & Philipp Vorndran (Buch) <<
“Der Staat kann auch auf anderem Wege in die Anleihen drängen, nämlich indem er Alternativen verbietet. So haben die USA 1933 den Besitz von mehr als 100 Dollar in Gold untersagt, was damals etwas weniger als 5 Unzen bedeutete. Wer nach dem Verbot mehr als erlaubt besaß, musste mit bis zu zehn Jahren Haft oder einer Geldstrafe von 10.000 Dollar rechnen. Im Anschluss an das Goldverbot wurde der Dollar um 43 % gegenüber Gold abgewertet. Man muss dabei bedenken, dass damals kein freier Wechselkurs existierte. Das Verhältnis der Währungen untereinander wurde ausschließlich über die Parität zum Gold definiert. Damit verlor der US-Bürger auf einen Schlag 43 % gegenüber anderen Währungen wie dem Britischen Pfund. Insofern erlebte die USA im Jahre 1933 eine kleine Währungsreform, nur dass es die Bevölkerung – so es sich nicht um Goldbesitzer handelte – nicht mitbekam.”
“Besitz von mehr als 100 Dollar in Gold untersagt” – “Erlebte die USA im Jahre 1933 eine kleine Währungsreform”
Während der sogenannten Mississippi-Blase, die als die bedeutendste Finanzkrise des 18. Jahrhunderts gilt, gruben sich zahlreiche französische Kleinanleger ihr eigenes Grab. Die Erzählung beginnt mit einer ambitionierten Aktiengesellschaft. Im Jahr 1717 setzte sich die französische Mississippi-Kompanie zum Ziel, das Mississippi-Delta zu besiedeln und gründete die Stadt New Orleans. Um dieses Vorhaben zu finanzieren, verkaufte die Gesellschaft, die über hervorragende Verbindungen zum Hof von Ludwig XV. verfügte, Aktien an der Pariser Börse. John Law, der Leiter der Gesellschaft, war zudem Direktor der Französischen Zentralbank und Finanzminister. Im Jahr 1717 bot das Mississippi-Gebiet kaum mehr als Sümpfe und Alligatoren, dennoch verbreitete die Mississippi-Kompanie Erzählungen über sagenhaften Reichtum und unbegrenzte Chancen.
“Mississippi-Kompanie verbreitete Geschichten von märchenhaften Reichtümern und unbegrenzten Möglichkeiten”
>>SAPIENS – Eine kurze Geschichte der Menschheit von Yuval Noah Harari (Buch) <<
“Im Jahr 1717 hatte der Mississippi wenig mehr zu bieten als Sümpfe und Alligatoren, doch die Mississippi-Kompanie verbreitete Geschichten von märchenhaften Reichtümern und unbegrenzten Möglichkeiten. Französische Adelige, Unternehmer und Bürger gingen diesen Märchen auf den Leim, und die Aktien der Mississippi-Kompanie schossen in schwindelerregende Höhen. Die Aktien waren zu einem Stückpreis von 500 Livres ausgegeben worden. Am 1. August 1719 wurde sie bereits zum Preis von 2750 Livres gehandelt. Am 30. August stand der Kurs bei 4100 Livres und am 4. September bei 5000 Livres. Am 2. Dezember 1719 knackte die Aktie die 10000er-Marke. Die Franzosen waren euphorisch. Viele Bürger verkauften ihr gesamtes Hab und Gut und nahmen riesige Kredite auf, um Mississippi-Aktien zu erwerben. Alle träumten davon, über Nacht reich zu werden.”
“Viele Bürger verkauften ihr gesamtes Hab und Gut und nahmen riesige Kredite auf, um Mississippi-Aktien zu erwerben”
Der wahre Beweggrund der Mississippi-Kompanie war ein völlig anderer. Im 19. Jahrhundert befand sich der französische Staat in einer tiefgreifenden wirtschaftlichen Krise, zudem waren beträchtliche Staatsschulden aufgelaufen. Um sich von diesen finanziellen Verpflichtungen zu befreien, versuchte der französische Staat, dies durch seine Bürger zu erreichen.
“Gerücht, man habe in der französischen Kolonie Louisiana Gold gefunden”
>>Die Plünderung der Welt von Michael Maier (Buch) <<
“Es gelang ihm, die Gier der Leute zu wecken. Erstmals in der Geschichte wurde das Wort »Millionär« verwendet. Die Mississippi-Blase machte auch einfache Franzosen zu reichen Leuten – auf dem Papier. Der Trick war derselbe wie bei allen Blasen. Man erzählt den Leuten irgendein Märchen und verführt sie zum Kauf. Law war ein Meister in diesem Fach. Unter anderem streute er das Gerücht, man habe in der französischen Kolonie Louisiana Gold gefunden. Jeder Franzose könne sich an dem Goldrausch beteiligen, wenn er Aktien an der Gesellschaft erwerbe. Die Franzosen rannten der Aktien-Gesellschaft die Türen ein. Mit dem Geld, das Law von den Franzosen geplündert hatte, entschuldete er über die Zentralbank das französische Königshaus. Um die Bürger zum Aktienkauf zu ermuntern, stattete er die Bettler von Paris mit Spaten aus und ließ sie durch die Stadt marschieren. Die Pariser hielten die Bettler, wie geplant, für Goldgräber auf ihrem Weg nach Louisiana – und kauften noch mehr Aktien.”
“Um die Bürger zum Aktienkauf zu ermuntern, stattete er die Bettler von Paris mit Spaten aus und ließ sie durch die Stadt marschieren”
Als schließlich die ersten französischen Rückkehrer aus Louisiana den erschütterten Mitbürgern berichteten, dass es in Louisiana kein Gold gebe, stürzte der Aktienkurs ab. Die königliche Bank und die Gesellschaft der Goldgräber standen vor dem Ruin – die Pariser Bürger hatten ihr Erspartes verloren. Die ursprünglich sehr schicke Enteignung der Franzosen zur Behebung des Haushaltsdefizits des Königshauses endete somit auf tragische Art und Weise. Plünderungen in erheblichem Ausmaß sind in der Geschichte nicht ungewöhnlich. Diese treten stets dann auf, wenn ein System so stark verschuldet ist, dass es sich nur noch mit fragwürdigen Geschäftspraktiken über Wasser halten kann.